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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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Vater.
    »Zweieinhalbtausend.«
    »Das muss reichen.«
    Plötzlich gab es ein puffendes Geräusch, und die Flamme des Brenners wurde kleiner.
    »Was ist das?«, fragte Frau Wellinghaus ängstlich.
    »Das Gas! Die Gasflaschen sind leer!«, kam von Miriams Vater.
    »Verdammt!«
    »Wir verlieren an Höhe!«, rief Herr Wellinghaus. »Nur noch zweitausenddreihundert Meter!«
    »Sind wir schon auf dem Gebiet der BRD?«, fragte Miriams Mutter.
    »Keine Ahnung.«
    »Los, wirf die Gasflaschen aus der Gondel!«, befahl Herr Wellinghaus, woraufhin die Männer die leeren Gasflaschen von der Gondel lösten und über die Seile hinweg in die Tiefe warfen.
    »Das reicht nicht!«, rief Miriams Vater. »Wir sinken immer noch!«
    »Und viel zu schnell!« Herr Wellinghaus bestätigte es mit einem Blick auf den Höhenanzeiger.
    »Wenn wir weiter so schnell sinken, schaffen wir es nicht.«
    »Vielleicht sind wir ja schon im Westen.«
    »Vielleicht aber auch nicht.«
    »Verdammt, was sollen wir jetzt tun?«
    »Nur noch achtzehnhundert Meter!«, kam von Herrn Wellinghaus. »Wir müssen verhindern, dass wir zu schnell an Höhe verlieren!«
    »Aber wie?«, fragte Miriams Mutter.
    »Wir müssen noch leichter werden.«
    »Wie denn?«
    »Alles rauswerfen«, befahl Miriams Vater, griff neben sich und warf den Feuerlöscher in die Tiefe.
    »Fünfzehnhundert Meter!«
    »Los, alles raus!«
    »Aber …«
    »Nichts aber. Los, mach schon!« Miriams Vater ließ den anderen keine Wahl.
    Koffer und Tüten wurden über die Stricke gehoben und in die dunkle Tiefe geworfen.
    »Ihr haltet euch aneinander fest«, rief Miriams Vater den Kindern zu.
    Die Kleineren fingen an zu weinen, als sie sich umarmten und gegenseitig festhielten.
    »Nur noch tausend Meter!«, rief Herr Wellinghaus. »Was ist mit dem Reiseproviant?«
    »Alles raus!«, befahl Miriams Vater und griff nach dem Korb.
    »Nicht den Korb!«, rief Miriam, konnte sich aber nicht umdrehen, sonst hätte sie die anderen beiden Kinder loslassen müssen. »Nicht den Korb!«
    Mir war sofort klar, weswegen Miriam so verzweifelt schrie. In dem Korb befanden sich nämlich nicht nur Wurstbrote, eine Trinkflasche und ein paar Äpfel, in dem Korb steckte auch ich.
    Kaum waren Miriams Worte in der Dunkelheit verhallt, hatte ihr Vater mich schon mitsamt dem Korb über die Stricke gehoben und … losgelassen.
    »Achthundert!«, hörte ich noch, als ich bereits durch die Luft segelte und plötzlich wusste, das könnte mein Ende sein. Wenn ein Nussknacker aus achthundert Metern Höhe herunterfällt, bleibt nicht mehr viel von ihm übrig, höchstens ein paar Holzsplitter. Das erste Mal in meinem Leben hatte ich Todesangst. Ich fing an zu zittern. Anfangs lag ich noch im Korb, aber der drehte sich wild um sich selbst, sodass ich hinausgeschleudert wurde und nun alleine durch die Dunkelheit flog. Mir wurde schwindlig. Ich schloss die Augen, während die Nacht und die kalte Luft an mir vorbeirasten. Bilder aus meinem Leben huschten wie im Zeitraffer vor meinen geschlossenen Augen vorüber.
    Da war der kleine Wilhelm, der Sohn des Holzschnitzers aus Oberammergau, der mir breit grinsend zuwinkte. Dann tauchten Ros und Doren auf der untergehenden Titanic auf und lächelten mir zu. Ich glaubte zu hören, wie sie mir von weit weg zuriefen: »Immer den Kopf hochhalten!« Dann sah ich Franz und August, die in Flandern im Schützengraben kauerten, und hörte die Kugeln um ihre Köpfe sausen, bis plötzlich Paul und Sophie erschienen, dann Nora und ein Blick auf München, so klar, dass ich sogar die Alpen sehen konnte, aus denen Dr. Kahlenberg emporstieg und Leo, zusammen mit Emilie, die den Doktor an der Nase herumführten und in einen Tresor sperrten, der dann gewaltsam geöffnet wurde und aus dem ganz Berlin und Salomon hervorkamen. Irgendwann, das Bild von Rosa auf den Barrikaden am Ende des Zweiten Weltkriegs vor Augen, verlor ich das Bewusstsein, sodass ich nicht mehr merkte, wo und wie ich landete.

1967, Hof, Frankenwald, Westberlin, BRD
    Zuerst kitzelte es nur. Dann roch es unangenehm. Zuletzt wurde es auch noch feucht. Ich schlug die Augen auf und sah Heu. Einen ganzen Haufen Heu. Dann sah ich zwei Augen und eine Schnauze. Es war ein Hund, der mit seiner feuchten, schlabberigen Zunge an mir herumschleckte, bis er mich schließlich ins Maul nahm und davontrug. Wohin er mit mir wollte, war mir in diesem Moment schleierhaft.
    »Che!«, hörte ich plötzlich eine Frauenstimme.
    »Verdammt, wo ist dieser blöde Köter!«,

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