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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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Hand.
    »Komm mit.«
    * * *
    Wir machten uns in den Stadtteil Dobrinja auf. Von den Bergen herunter wurde wieder geschossen. Granaten detonierten. Rauch stieg über der Stadt auf. Überall roch es wie nach verbrannten Haaren. Suzanna und Asija schien das aber nicht sonderlich zu beunruhigen. Auch Bajro am Steuer des Wagens war mehr mit den Gängen beschäftigt als mit dem, was um ihn herum geschah. Es krachte wieder im Getriebe, und Bajro fluchte.
    An einer der Absperrungen, eine imposante Barrikade aus Sandsäcken, Stacheldraht und umgekippten Autos, musste der Wagen abgestellt werden.
    Die Reise schien zu Ende.
    »Fertig«, sagte Bajro. Er sah dabei so aus, als wäre er gar nicht so unglücklich darüber.
    Ein Soldat mit umgehängtem Maschinengewehr versperrte ihnen den Weg. Er fuchtelte mit der Hand in der Luft herum, was nur bedeuten konnte, dass wir wieder umkehren sollten. Suzanna und Asija stiegen aus. Suzanna zog ihren Presseausweis aus der Tasche und wedelte damit ebenfalls in der Luft. Es sah komisch aus, wie Suzanna und der Soldat Zeichen in die Luft schrieben, die offenbar niemand verstehen wollte. So lange, bis der Mann schließlich entnervt »No!« schrie und dabei heftig den Kopf schüttelte.
    »Es hat keinen Sinn, die lassen uns nicht durch«, versuchte Asija Suzanna zur umkehr zu bewegen.
    Suzanna griff in die Tasche und holte ein Bündel Dollarscheine heraus. Das Kopfschütteln war nicht mehr ganz so heftig. Suzanna erhöhte die Summe um ein paar weitere Scheine. So lange, bis der Soldat schließlich nur noch ein wenig mit dem Kopf zuckte. Den Weg gab er aber noch immer nicht frei.
    »Der ist nicht bestechlich«, sagte Asija.
    Suzanna widersprach vehement. »Fast jeder ist bestechlich. Es ist nur eine Frage der Summe, die …«
    Noch ehe sie den Satz beenden konnte, war eine andere Stimme in unserem Rücken zu hören.
    »He, Asija, was machst du denn hier?«
    Wir blickten uns überrascht um.
    Es war Asijas Mathematiklehrer, der vor uns stand und lachte. Er sah schlecht aus. Um die Augen waren dunkle Ringe, und sein Gesicht war bleich. Graue Bartstoppeln sprenkelten die Haut. Seit wir ihn das letzte Mal gesehen hatten, schien er um Jahre gealtert zu sein. Auch Asija war überrascht.
    »Lass sie durch, ich kenne sie«, sagte der ehemalige Mathelehrer zu dem Soldaten mit dem Maschinengewehr um denBauch, der ein wenig betrübt dreinschaute, als würde er dem Geldscheinbündel nachtrauern, das Suzanna nun wieder unauffällig in ihre Tasche steckte.
    »Das ist Suzanna.« Asija zeigte auf die Journalistin, um dann entschlossen hinzuzufügen: »Sie möchte gerne den Tunnel sehen.«
    Der ehemalige Mathelehrer schaute, als wüsste er nicht genau, ob er jetzt ärgerlich oder vergnügt reagieren sollte. Noch bevor er sich entscheiden konnte, sagte Asija: »Die ist in Ordnung, ehrlich.« Sie schickte einen Blick hinterher, der dem Soldaten die Entscheidung leichter machte.
    »Du weißt, dass darüber nichts nach draußen dringen darf«, sagte der Mann zu Asija. Er schien damit aber eher Suzanna zu meinen.
    »Sie weiß es auch!« Asija zeigte wieder auf Suzanna, die nun nickte.
    Der Mann betrachtete die Journalistin. Sie schien ihm zu gefallen. Er lächelte. Sie lächelte ebenfalls. Dann sagte er: »Na gut, dann kommt mal mit.« Woraufhin auch Asija lächelte.
    Wir folgten dem Mathelehrer zu einem Eingang, der unter der Erde lag.
    »Die unterirdische Verbindung verläuft direkt unter dem Flughafen«, sagte der Mann. Er zeigte in einen unterirdischen Stollen, in dem ein schwaches Licht leuchtete. Wir betraten den Tunnel. »Der Ausgang befindet sich hier in Dobrinja, innerhalb der Stadt. Der Eingang ist außerhalb der Stadt, in Butmir. Dazwischen liegen achthundert Meter.«
    »Irre!« Suzanna staunte. Sie zog den Kopf ein, da der Tunnel nicht so hoch war, dass sie aufrecht hätte gehen können.
    »Der Tunnel wurde von beiden Seiten gleichzeitig gegraben.«Der Mann ging voraus. »Das Problem war das Grundwasser. Das Wasser musste mit Kübeln aus dem Tunnel geschafft werden.«
    Er zeigte auf den Boden, der mit Wasser bedeckt war. In dem Tunnel, der vielleicht ein Meter fünfzig hoch und einen Meter breit war, roch es moderig.
    »Durch den Tunnel wird seither alles in die Stadt geschmuggelt, was benötigt wird. Nahrungsmittel, Zigaretten, Öl, Medikamente. Aber auch Waffen und Munition. Vor allem in der Nacht. Es werden aber auch Menschen in die Stadt und aus der Stadt herausgeschleust.«
    »Und die Belagerer der

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