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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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Sein Blick war düster und erinnerte an Augusts Gesichtsausdruck im Schützengraben. Lange standen beide einfach nur da. Niemand sagte etwas. Bis Sophie schließlich mit belegter Morgenstimme flüsterte: »Paul, ich gehe weg.«
    Paul erschrak, drehte sich um und blickte Sophie verstört und hilflos an. »Aber wo willst du denn hin?«
    »Nach München.«
    »Was willst du denn in München?« Paul schien nicht verstehen zu wollen.
    »Ich gehe zu Erich.«
    »Wer ist denn …«
    »Ich bin Erich.« Ein Mann, den weder Paul noch ich je gesehen hatten, stand in Hose und mit nacktem Oberkörper in der Tür. Der Mann war viel älter als Sophie und hatte einfreundliches Gesicht. Er trat vor und legte seine Hand auf Sophies Schulter.
    Endlich schien auch Paul zu kapieren.
    * * *
    Zwei Tage später stand Sophie neben gepackten Koffern vor dem Haus und wartete auf Erich.
    »Hier, für dich!« Paul gab mich Sophie zum Abschied.
    »Aber der war doch für dich, von August.«
    »Ich brauche ihn nicht mehr.«
    Sophie hielt mich unschlüssig in der Hand. Sie schien nicht zu wissen, warum sie mich brauchen sollte.
    »Damit du August nicht vergisst«, sagte Paul, meinte aber eher sich selbst, wie mir schien.
    Ein Taxi hielt vor Sophie und den Koffern. Erich stieg aus. Er gab Sophie einen Kuss auf die Wange und grüßte Paul mit einem freundschaftlichen Winken. Dann verstaute er das Gepäck im Kofferraum des Wagens.
    »Du kannst mich ja mal besuchen kommen«, sagte Sophie, als alle Koffer im Auto waren und Erich wieder im Wagen saß.
    Paul hob die Schultern.
    »Ich schicke dir die Adresse«, sagte Sophie, öffnete die Tür des Taxis, hielt kurz inne und drehte sich dann noch einmal zu Paul um. Sie strich ihm über die Wange. »Nicht traurig sein.«
    Dann stieg sie in den Wagen, kurbelte die Scheibe herunter und rief ihm aus dem abfahrenden Auto zu: »Bis bald, Paul.«
    »Bis bald.«
    Ich sah, wie Paul, der winkend am Straßenrand stand, immer kleiner wurde und schließlich ganz verschwand.

1918 – 1923, München, Deutschland
    Sophie ging wegen Erich nach München, und Erich ging nach München, weil er da wohnte. Am Bahnhof wurden er und Sophie von Nora, seiner kleinen Tochter, und Liesel, seiner Schwester, empfangen. Nora fiel ihrem Vater um den Hals.
    »Hast du mir was mitgebracht?«
    Erich schaute verwundert zu seiner Schwester, die genauso überrascht Sophie anblickte. Die hob ein wenig verlegen die Arme. Schließlich sagte Erich, während er seine Tochter auf den Arm nahm: »Ich habe dir Sophie mitgebracht.«
    Nora musterte Sophie skeptisch und wusste offensichtlich nicht, was die Worte des Vaters zu bedeuten hatten. Vermutlich hatte sie sich ein ganz anderes Mitbringsel vorgestellt. Sophie blickte jetzt noch verlegener, was wiederum Erich zu amüsieren schien. Dann griff sie in ihre Tasche und zog mich heraus.
    »Und Sophie hat dir diesen Nussknacker mitgebracht.«
    Nora sprang vom Arm ihres Vaters, griff nach mir und betrachtete mich ähnlich erstaunt wie Liesel, die ihrem Bruder mit fragenden Blicken signalisierte, dass sie beim besten Willen nicht kapiere, was das alles zu bedeuten habe.
    »Sophie wird jetzt bei uns bleiben«, sagte Erich.
    Liesel erschrak. »Für wie lange?«
    »Für immer.«
    Liesel schaute sich Hilfe suchend um. Es war aber niemand da, der ihr hätte beistehen können. Für Erich schien das Thema erledigt. Er wandte sich seiner Tochter zu, strich ihr über die blonden Haare und fragte: »Wie findest du das, mein Engel?«
    Nora, jetzt ganz mit mir beschäftigt, hob gleichgültig die Schultern. Doch Liesel schien sich noch immer nicht geschlagen zu geben. Unwirsch fragte sie: »Für immer?«
    Erich nickte. Sophie ebenfalls.
    * * *
    In meinem neuen Zuhause ging es von Anfang an turbulent zu. Sobald wir in einer Vierzimmerwohnung in München-Schwabing ankamen, Sophie die Koffer auspackte und Nora mich überall mit sich herumtrug, als wollte sie mir das Zuhause zeigen, war ein handfester Streit zwischen Liesel und Erich im Gange, dem ich akustisch beiwohnen konnte, da er im Arbeitszimmer von Erich stattfand und die Tür nur angelehnt war.
    »Was will dieses Frauenzimmer hier?«
    »Leben, wohnen.«
    »Das kannst du nicht machen, Erich!«
    »Du siehst doch, dass ich es kann.«
    »Was werden die Leute sagen!«
    »Das ist mir wurscht. Die Leute sollen sich meinetwegen die Mäuler zerreißen!«
    »Wenn dieses Weib bleibt, gehe ich.«
    »Liesel, sei vernünftig. Du kannst gar nicht gehen, weil Nora dich

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