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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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erneut von unten zu den beiden Freunden hinauf.
    »Na los, runter mit euch!«
    Langsam kletterten die beiden hinunter. Zuerst Fred, hinter ihm Karl. Je näher sie dem Boden kamen, umso deutlicher wurde die Gestalt neben dem Baumstamm.
    Als sie vom letzten Ast auf die Erde hüpften, sahen sie, dass es ein Mädchen war, höchstens zwei Jahre älter als sie und einen halben Kopf größer. Es lehnte lässig am Baumstamm und paffte eine Zigarette. Es sah komisch aus, als hätte das Mädchen noch nicht allzu viel Erfahrung darin.
    Fred und Karl hatten das Mädchen noch nie gesehen. Ich auch nicht. Mich erinnerte es irgendwie an Lotte. Auf den ersten Blick war es mir ähnlich unsympathisch.
    »Erwischt!«
    Das Mädchen blies den beiden den Zigarettenrauch entgegen und grinste dabei übers ganze Gesicht.
    Fred und Karl standen ein wenig belämmert da, als wären sie beim Diebstahl im Lebensmittelladen ertappt worden. Sie wussten nicht, was sie sagen, geschweige denn tun sollten. Ich konnte spüren, dass beide daran dachten, auf dem Absatz kehrtzumachen und die Flucht zu ergreifen.
    »Und? Wie ist es so, Hochwürden heimlich auszuspionieren?«
    Das Mädchen ließ nicht locker.
    Fred und Karl wussten noch immer nicht, was sie sagen sollten, also schauten sie verlegen zu Boden. Dabei kamen sie sich ziemlich dämlich vor. Das schien auch das Mädchen zu merken. Es lachte gehässig.
    »Na, hat es den beiden Oberspionen die Sprache verschlagen?«
    Langsam nervte die Göre.
    »Wie wär’s mit beichten?«
    Fred und Karl erschraken.
    »Hochwürden würde sich freuen!«
    Worauf will sie hinaus? Will diese Nervensäge die Jungs verpetzen? , fragte ich mich, als der Tonfall ihrer Stimme sich plötzlich änderte. Sie klang verschwörerischer und viel leiser.
    »Also, raus mit der Sprache«, sagte das Mädchen, wobei es sich ein Stück näher an die beiden heranpirschte. »Macht er’s da oben mit dem Küster, oder nicht?«
    »Äh, was  …«, begann Karl kleinlaut und sah erstaunt zu Fred.
    »… soll er denn machen?«, brachte der nicht minder verwirrte Fred die Frage zu Ende.
    Das Mädchen paffte wieder ungeschickt an ihrer Zigarette und pustete den beiden Jungs den Rauch entgegen.
    »Tut doch nicht so. Ihr wisst genau, was ich meine.«
    Fred und Karl sahen sich erneut verwundert an. Sie schüttelten den Kopf, als hätte das Mädchen nicht mehr alle Tassen im Schrank. Dann hoben beide nichts ahnend die Schultern.
    »Oder ist er etwa nicht schwul?«
    »Wer?«, kam es gleichzeitig aus beiden Mündern.
    Das Mädchen schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn und lachte wieder hämisch.
    »Mein Gott, seid ihr beide auf den Kopf gefallen, oder tut ihr nur so blöd?« Es paffte wieder an der Zigarette, hustete ein paarmal und sagte: »Das weiß doch jeder. Nur die beiden Chefspione scheinen keinen blassen Schimmer zu haben.«
    Das Mädchen warf die Zigarettenkippe ins Gras. »Na, was ist jetzt?« Die Kippe qualmte im Gras vor sich hin.
    »Freitag!« Karl sagte es ziemlich genervt und ein bisschen aufmüpfig.
    Das Mädchen schien das erste Mal überrascht und auch ein wenig verunsichert zu sein. Aber nur für Sekunden. Dann sagte sie, genauso selbstsicher wie zuvor: »Dann bin ich Robinson!«
    »Hahaha!« Fred lachte gequält. Was das Mädchen noch mehr zu provozieren schien.
    »Das hat ein Nachspiel, das ist doch klar, oder?«
    Fred und Karl drehten sich um. Sie ließen das Mädchen einfach an der Kastanie stehen und schlenderten in Richtung Friedhof, ohne sich umzublicken.
    »Blöde Kuh!«, sagte Karl laut genug, dass das Mädchen es verstehen konnte, hoffte er zumindest.
    »Die spinnt doch!«, ergänzte Fred ähnlich laut.
    »Wir sehen uns!«, rief das Mädchen ihnen hinterher.
    »Hoffentlich nicht«, murmelte Karl – diesmal so leise, dass nur Fred es hören konnte.
    Dann rannten sie zwischen den Grabsteinen und den gespenstisch flackernden Kerzen davon.
    * * *
    Oft saßen Fred und Karl nach der Schule am Bahnhof auf der Ladefläche eines abgestellten, verrosteten Güterwaggons.Aus dem Waggon roch es verwegen. Bei Regen anders als an Sonnentagen. Aber immer ein bisschen nach feuchtem Heu, Kompost und dunklen Kellern. Fred und Karl ließen die Beine baumeln. Sie stützten die Köpfe auf den Händen auf, die Ellenbogen auf den Oberschenkeln, und schauten dem einzigen Gleis hinterher, das sich am Bahnhof vorbei durch die Felder schlängelte und hinter der Zeche am Horizont verschwand. Die Freunde wussten, dass das Gleis nach

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