Der Ölhändler und die Blumenkönigin
nur tust du nicht sofort etwas, um diese günstige Gelegenheit zu ergreifen?«
»Ich habe ja auch schon hin und her gerechnet und das und jenes erwogen: aber die, welche Einfluß und Macht besitzen, wollen nicht mit Geld herausrücken und leben am liebsten aufKosten der andern. Wenn dann wirklich mal einer kommt, der einige Taels hergeben will, will das Mädchen wieder nicht, ist unzufrieden mit dem Guten, klagt über das Schlechte und hat halt immer und ewig etwas auszusetzen. Wenn sich ein guter Kunde fände, könntest du die Vermittlung übernehmen und die Heirat perfekt machen. Sollte das gemeine Ding nicht damit einverstanden sein, bitte ich dich inständig, es ihr einzureden, ohne daß sie eine Absicht merkt; denn auf meine Worte hört sie nicht mehr. Nur du kannst sie noch überzeugen und bekehren.«
»Da hätte ich's ja heute gerade getroffen,« sagte Liú Sse-Ma laut auflachend, »um für meine Nichte die Heiratsvermittlerin zu spielen! Aber sag' mal, wieviel möchtest du denn wirklich haben, ehe du sie losläßt?«
»Schwester, bei deinem hellen Verstand wirst du doch wissen: in unserem Betriebe wird nur billig gekauft und teuer verkauft. Zudem ist Meï-Niáng schon seit Jahren überaus berühmt. Wer in Lin-An weiß nicht, daß sie die Blumenkönigin ist? Glaubst du etwa, ich würde sie für dreihundert, vierhundert Taels gehen lassen?
Ich verlange mindestens meine tausend Taels in Gold!«
Liú Sse-Ma hatte sich erhoben und sagte:
»Ich werde jetzt also gehen und versuchen, was sich tun läßt. Wenn man diese Summe geben will, will ich bald mit näheren Einzelheiten bei dir sein. Ist niemand dafür zu haben, komme ich nicht erst her. – Wo ist sie denn überhaupt heute?« fragte Liú Sse-Ma beim Herausgehen absichtlich noch einmal.
»Danach frage mich nicht. Seit sie damals vom Herrn Wu mißhandelt worden ist, fürchtete sie wahrscheinlich, er könne jeden Tag wiederkommen, um neuen Skandal zu provozieren. Daher läßt sie sich in ihrer Sänfte zu allen Bekannten tragen, um ihnen die Geschichte haarklein zu erzählen. So war sie vorgestern beim Gouverneur Tji, gestern beim Mitgliede der Akademie Huáng und heute weiß ich nicht, wo sie steckt.«
»Nun, das ist ja gleichgültig. Wenn du nur fest entschlossen bist, das Geld zu nehmen, so sieht man nicht darauf, ob das Mädchen will oder nicht. Sollte das letztere der Fall sein, so wette ich zehntausend gegen eins, daß ich sie schon zur Räson bringe. Nur darfst du danneben nicht, wenn ich einen zahlungsfähigen Käufer gefunden habe, noch handeln und deine Macht sonstwie geltend machen.«
»Verlaß dich darauf. Ich habe schon einmal gesagt, daß ich keine Hintergedanken habe.«
Mit diesen Worten begleitete sie ihre Freundin bis zur Tür, wo ihr Liú Sse-Ma noch einige freundliche Worte zurief und dann die Sänfte bestieg. –
Das war ihre zweite rednerische Leistung.
»In der Kunst zu reden und in der Schärfe des Urteils
Ist sie der weibliche Lu-Dja fürwahr, der Sui-Ho in Röcken.
Wenn – o Schreck! – die Frau'n alle ein solches Mundwerk besäßen,
Würfen Tropfen dann leicht – Berge von Wasser empor.«
Als Liú Sse-Ma nach Hause zurückgekehrt war, erzählte sie Meï-Niáng, was sie ihrer Pflegemutter alles gesagt und wie sie es verstanden hätte, in der Alten selber den Entschluß hervorzurufen, sie aufzugeben.
»Deine Mutter möchte dich schon freigeben,« begann sie, »nur will sie zuerst das Geld sehen. Die Sache ist dann sofort erledigt.«
»Das Geld ist bereits vorhanden: Ich habe es mir selbst beschafft«, antwortete Meï-Niáng.»Kommen Sie, liebe Tante, doch morgen auf alle Fälle zu mir, damit die Angelegenheit so schnell wie möglich aus der Welt geschafft und nicht erst wieder kalt wird; denn wenn dann wieder einige Tage ins Feld gehen, müßten Sie sich nochmals bemühen, was dann schon schwieriger wäre.«
»Natürlich komme ich, da wir es einmal verabredet haben!«
Darauf verabschiedete sich Meï-Niáng und kehrte nach Hause zurück, ohne ein Wort von ihrem Besuche zu erwähnen.
Am folgenden Tage, in der Zeit zwischen elf und ein Uhr, erschien Liú Sse-Ma pünktlich, wie sie versprochen.
Wang Djiú-Ma empfing sie gleich mit der Frage, wie die Sache stände.
»Nun, sie ist zu acht, neun Zehnteln bereits in Ordnung,« antwortete sie.
»Nur habe ich noch nicht mit meiner Nichte gesprochen.«
Darauf begab sie sich in Meï-Niángs Zimmer, wo die beiden sich begrüßten und noch einmal die ganze Angelegenheit
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