Der Ölhändler und die Blumenkönigin
Dschu-Dschung seinen alten Gehilfen Hsing-Schan zu Liú Sse-Ma, um Nachrichten einzuholen. Durch ihn erfuhr er dann, daß Meï-Niáng sich bereits losgekauft hatte und nicht mehr bei Frau Wangwar. – Er wählte also einen glücklichen Tag und holte unter Flöten- und Trommelspiel seine Gattin ein, wobei Liú Sse-Ma als »große Vermittlerin« den Brautzug selbst begleitete. – So feierten Dschu-Dschung und seine Blumenkönigin im hochzeitlichen Gemache unter Blumen und Kerzenschimmer ihre Vermählung, und ihre Freude war grenzenlos. – – –
»War das Vergnügen auch nicht mehr neu – die Lust dieser beiden
stand einer bräutlichen Nacht an Freuden in nichts zurück.«
Am folgenden Morgen baten der alte Hsing-Schan und seine Frau darum, die Neuvermählte kennen zu lernen.
Kaum hatten sie sich aber gesehen, als ein freudiger Schreck die so lange Getrennten durchzitterte. Mit geöffnetem Mund standen sie da, regungslos, bis der Bann gewichen war. Dann folgte ein leidenschaftliches Fragen, und nachdem der erste Drang, über die Geschicke des andern etwas zu erfahren, befriedigt war, stürzten sich Vater, Mutter und Tochter in die Arme und umhalsten sich laut weinend.
Jetzt erst begriff Dschu-Dschung, daß er die Eltern seiner Frau vor sich hatte. Als sich seineÜberraschung gelegt hatte, bat er sie, auf dem höhergelegenen Ehrensitze Platz zu nehmen, und beide Neuvermählte stellten sich in aller Form ihren Eltern vor, indem sie wiederholt tiefe Verbeugungen machten.
Als die Nachbarn das erfuhren, waren sie nicht minder verblüfft.
Ein großes Festmahl wurde an diesem Tage bereitet, um den doppelt freudigen Anlaß würdig zu feiern; man trank Wein, schwelgte in ausgelassener Freude und ging erst in später Nacht auseinander. Nach drei Tagen ließ Meï-Niáng durch ihren Mann reiche Geschenke an jede der ihr seit langer Zeit bekannten Familien verteilen, um ihnen so die Liebenswürdigkeit zu vergelten, mit der sie ihre Sachen aufbewahrt hatten, und gleichzeitig ihre Verheiratung mitzuteilen.
Ein Zeichen dafür, wie sorgfältig sie alles, wenn einmal begonnen, auch zu einem guten Ende zu führen wußte! Wang Djiú-Ma und Liú Sse-Ma, jede erhielt ihr Geschenk, und keine war, die sich nicht herzlich bedankte.
Einen vollen Monat später öffnete Meï-Niáng ihre Koffer, in welchen lauter gelbes Gold und weißes Silber, Damast aus Ssú-Dschoú undBrokat aus Sse-Tschuán lag, deren Wert – wie? nur nach Hunderten von Taels zu berechnen war? – nein! – dreitausend und mehr machte alles zusammen!
Und die Schlüssel zu diesen Schätzen übergab sie alle ihrem Manne, damit er allmählich Häuser und landwirtschaftliche Grundstücke ankaufe und so das Familienvermögen sicherstelle.
Den Ölladen verwaltete von nun an sein Schwiegervater Hsing-Schan allein, und es dauerte kaum ein Jahr, da hatte er die Vermögensverhältnisse der Familie mit seiner Hände Arbeit zu solcher Blüte emporgebracht, daß man nur noch Dienern und Dienerinnen zu befehlen brauchte, und es in allem sehr fein herging.
Dschu-Dschung dankte Himmel und Erde, und die Götter segneten sichtlich seine Tugend. Er beschloß, jedem Tempel und jedem Kloster frommen Herzens ein Bündel wohlriechender Kerzen für sämtliche Hallen zu weihen und Öl für seine gläsernen Lampen auf die Dauer von drei Monaten. Dann fastete er und badete, um persönlich daranzugehen, die Weihrauchopfer darzubringen und seine Gebete zu sprechen. Mit dem Dschau-Tjing-Tempel beginnend, wallfahrtete er hintereinander zu den heiligen StättenLing-Yin, Fa-Hiáng, Djing-Tse und Tién-Dschu. Unter ihnen möchte ich aber nur bei letzterem etwas verweilen. Der Tién-Dschu-Tempel, der allerbarmenden Göttin Guán-Yin geweiht, welcher hier besonders große Weihrauchopfer dargebracht wurden, bestand aus drei Komplexen, dem Oberen, Mittleren und Unteren Tién-Dschu-Tempel, in denen sich eine Unmenge von Weihrauchfeuern befanden. Da man aber die Bergpfade nicht mit Booten und Rudern zurücklegen konnte, ließ Dschu-Dschung seine Diener eine Last wohlriechender Kerzen und drei andere klaren Öls tragen, während er selbst eine Sänfte bestieg und sich auf den Weg machte.
Zunächst stieg er zum Oberen Tién-Dschu-Tempel, wo ihn die Priester des Buddha begrüßten und nach der großen Halle führten, in welcher der alte Sakristan Tjin Kerzen anzündete und den Weihrauch nachfüllte. Damals war Dschu-Dschungs Wesen schon sehr verändert. Er hatte sich ein anderes Benehmen, andere
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