Der Oligarch
Sie bleiben?«
»So lange wie nötig.«
»Eine unserer Agentinnen steht kurz vor dem Abflug zu einem Auslandseinsatz. Wenn Sie Zeit haben, würde sie gern mit Ihnen zu Abend essen.«
Gabriel brauchte nicht zu fragen, wer diese Agentin war.
»Wohin soll sie, Adrian?«
»Das ist geheim.«
»Ich brauche Sie wohl nicht daran zu erinnern, dass sie an dem Unternehmen gegen Charkow beteiligt war?«
»Nein, das brauchen Sie nicht.«
»Wieso lassen Sie sie dann ins Ausland gehen?«
»Ihre Besorgnis um ihre Sicherheit ist rührend, aber gänzlich überflüssig. Was soll ich ihr wegen des Abendessens ausrichten?«
Gabriel zögerte. »Lieber ein andermal, Adrian. Diese Sache ist ein bisschen kompliziert.«
»Warum? Weil Sie mit jemandem aus Ihrem Team befreundet ist?«
»Was soll das heißen?«
»Michail Abramow und sie sind ein Paar. Mich wundert nur, dass Ihnen das niemand gesagt hat.«
»Wie lange geht das schon?«
»Es hat kurz nach dem Unternehmen in Saint-Tropez angefangen. Da Michail einem ausländischen Geheimdienst angehört, musste sie ihre Beziehung der Personalabteilung melden. Die Abteilung war nicht sehr glücklich darüber, aber ich habe zu ihren Gunsten interveniert.«
»Wie rücksichtsvoll von Ihnen, Adrian. Ich denke, ich möchte doch gerne mit ihr essen.«
Carter schrieb ihm Ort und Zeit auf einen Notizzettel. »Aber seien Sie nett zu ihr, Gabriel. Ich glaube, dass sie gerade sehr glücklich ist. Und es ist schon lange her, dass Sarah glücklich war.«
31
G EORGETOWN , W ASHINGTON , D . C .
Das Restaurant 1789, eines der Wahrzeichen von Georgetown, gehörte zu den besten Lokalen Washingtons und war eines der wenigen Restaurants, die noch darauf bestanden, dass Gentlemen ein Jackett trugen. Mit dieser Ermahnung schickte Carter Gabriel zu Brooks Brothers, wo er binnen zehn Minuten eine Gabardinehose, ein weißes Oberhemd und den unvermeidlichen blauen Blazer aussuchte. Eine Krawatte lehnte er jedoch ab – die trug er wie die meisten Israelis nur unter Zwang oder zur Tarnung. Außerdem könnte Sarah einen falschen Eindruck bekommen, wenn er mit Krawatte aufkreuzte. Der Blazer würde schwierig genug zu erklären sein.
Er kam einige Minuten zu früh und erfuhr von der Hostess, seine Begleiterin habe schon Platz genommen. Das überraschte ihn nicht: Er hatte Sarah Bancrofts Ausbildung selbst überwacht und hielt sie für eines der größten Naturtalente, denen er je begegnet war. Diese mehrsprachige, weitgereiste und hochgebildete Frau war stellvertretende Kuratorin der Phillips Collection in Washington gewesen, als Gabriel sie angeworben hatte, um einen Topterroristen im Gefolge des saudi-arabischen Milliardärs Zizi al-Bakari aufzuspüren. Nach diesem Unternehmen ging Sarah ganz zur CIA, wo sie im Zentrum für Spionageabwehr arbeitete. Gabriel lieh sie sich im vergangenen Sommer erneut aus und schleuste sie mit Hilfe eines gefälschten Gemäldes bei Elena Charkowa ein. Dabei spielte Michail Sarahs russisch-amerikanischen Freund, und die beiden übernachteten in Saint-Tropez mehrmals in einem Fünfsternehotel. Gabriel vermutete, dass es dort zwischen den beiden gefunkt hatte.
Darüber war er aus verschiedenen Gründen nicht glücklich – insbesondere auch deshalb, weil diese Affäre gegen sein Verbot sexueller Beziehungen zwischen Angehörigen seines Teams verstieß. Aber sein Ärger hielt sich in Grenzen. Gabriel wusste, dass die einzigartige Kombination aus Stress und Langeweile im Einsatz zu romantischen Verwicklungen fuhren konnte. Das wusste er sogar aus eigener Erfahrung. Als er vor zwanzig Jahren ein wichtiges Attentat in Tunis vorbereitet hatte, hatte er mit seiner Bat leveja eine Affäre gehabt, an der seine Ehe mit Leah beinahe zerbrochen wäre.
Die Hostess begleitete ihn durch den intimen Speiseraum zu einem Ecktisch in der Nähe des Kaminfeuers. Sarah saß leicht schräg auf einer Bank der Sitznische, sodass sie unauffällig den gesamten Raum überblicken konnte. Zu ihrem schwarzen ärmellosen Kleid trug sie eine zweireihige Perlenkette. Ihr hellblondes Haar war schulterlang und ihre blauen Augen reflektierten den Kerzenschein. Eine Hand ruhte auf dem Fuß ihres Martini-Glases, die andere umfasste in einer nachdenklichen Geste ihr Kinn. Ihre Wange, die Gabriel jetzt küsste, duftete zart nach Flieder.
»Möchtest du auch einen?«, fragte Sarah und tippte mit einem manikürten Fingernagel an ihr Glas.
»Lieber würde ich deinen Nagellackentferner trinken.«
»Mit einem Spritzer
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