Der Oligarch
Chauffeur an, zu der sicheren Wohnung zurückzufahren, dann wandte er sich wieder an Gabriel.
»Ein Wagen holt Sie morgen früh um sechs ab. Diese Reise muss unter strikter Geheimhaltung stattfinden, fürchte ich. Ihr Ziel erfahren Sie erst, wenn Sie in der Luft sind.«
»Wie soll ich mich anziehen?«
Carter lächelte.
»Warm. Sehr warm.«
З 2 I M N ORDEN DES S TAATS N EW Y ORK
Der Adirondack Park, eine riesige Wildnis, die sich im Nordosten des Staats New York über fast zweieinhalb Millionen Hektar Land erstreckt, ist das größte Naturschutzgebiet in den kontinentalen Vereinigten Staaten. Er ist fast so groß wie Vermont, größer als sieben andere Bundesstaaten und so riesig, dass die Nationalparks Yellowstone, Yosemite und Glacier, der Grand Canyon und die Great Smoky Mountains zusammen leicht hineinpassen würden. Alle diese Tatsachen waren Gabriel unbekannt, bis sein Pilot, ein Veteran, dessen Spezialität CIA-Flüge zu Geheimgefängnissen waren, ihm eine Stunde nach dem Start endlich ihren Zielflughafen nannte. Die Wettervorhersage klang zuerst nicht besonders schlimm: wolkenlos bei einer Höchsttemperatur von etwa null Grad. Gabriel ging nämlich davon aus, der Pilot habe die Temperatur für seinen ausländischen Passagier von Fahrenheit in Celsius umgerechnet. Das hatte er jedoch nicht getan, sodass minus achtzehn Grad Celsius zu erwarten waren.
Kurz nach zehn Uhr setzte die Maschine außerhalb von Saranac Lake auf dem Adirondack Regional Airport auf. Adrian Carter hatte einen Ford Explorer auf dem Parkplatz bereitstellen lassen. Wie durch ein Wunder sprang der Motor beim ersten Versuch an. Gabriel drehte die Heizung voll auf und verbrachte mehrere qualvolle Minuten damit, das Eis von den Scheiben zu kratzen. Als er sich wieder ans Steuer setzte, war sein Gesicht gefühllos. Die angezeigte Außentemperatur lag bei minus zweiundzwanzig Grad Celsius. Das konnte nicht stimmen, befand er. Bestimmt war die Anzeige defekt.
Carter, von Natur aus übervorsichtig, hatte angeordnet, niemand dürfe sich dem Haus mit einem Gerät nähern, das sendete oder empfing – und dazu zählten auch GPS-Empfänger. Gabriel hielt sich an die maschinengetippte Wegbeschreibung, die er an Bord bekommen hatte. Er verließ den Flughafen, bog rechts ab und folgte der Route 186 nach Lake Clear. An der Route 30 bog er in Richtung Upper St. Regis Lake nochmals rechts ab. Erst kam der Spitfire Lake, dann der Lower St. Regis Lake und die kleine Collegestadt Paul Smiths. Nur wenige Meter nach der College-Einfahrt begann die Keese Mills Road, eine schmale Straße, die sich nach Osten in einen abgelegenen Teil des Naturschutzgebiets davonschlängelte. Irgendwo in diesem Teil der Adirondacks hatten die Rockefellers ein riesiges Sommerhaus besessen – mit eigenem Bahnanschluss für den Privatzug der Familie. Gabriels Ziel war zwar deutlich kleiner als der Besitz der Rockefellers, aber kaum weniger einsam gelegen. Die Einfahrt auf der linken Straßenseite war leicht zu verfehlen, wie Carter ihn gewarnt hatte. Gabriel fuhr beim ersten Mal daran vorbei und musste noch eine Viertelmeile weit fahren, bevor er auf der vereisten Straße wenden konnte.
Die schmale Zufahrt führte geradeaus in den dichten Wald hinein, bevor sie nach hundert Metern an einem Streckmetalltor endete. Hier gab es keinen Zaun, aber Gabriel wusste, dass die nähere Umgebung mit Kameras, IR-Sensoren und Bewegungsmeldern gespickt war. Irgendetwas registrierte seine Ankunft, denn das Schiebetor glitt auf, noch bevor sein Geländewagen ganz zum Stehen gekommen war. Von der anderen Seite brauste ein Jeep Grand Cherokee über eine Lichtung heran. Am Steuer saß ein soldatisch wirkender Mann namens Ed Fielding. Dieser ehemalige Angehörige der Special Operations Group der CIA war der hiesige Sicherheitschef.
»Wir haben Sie gewarnt, dass die Einfahrt leicht zu übersehen ist«, sagte Fielding durch sein offenes Fenster.
»Sie haben mich beobachtet?«
Fielding grinste nur. »Haben Sie daran gedacht, Ihr Handy zu Hause zu lassen?«
»Klar doch.«
»Und Ihr BlackBerry?«
»Ich kann die Dinger nicht ausstehen.«
»Keine Geheimfüller oder Röntgenbrillen?«
»Das einzige elektronische Gerät, das ich besitze, ist meine Armbanduhr, und die werfe ich gern in den nächsten See, wenn Sie das glücklich macht.«
»So lange sie kein israelischer Minisender und -empfänger ist, können Sie sie behalten. Außerdem sind alle Seen zugefroren.« Fielding ließ seinen Motor kurz
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