Der Oligarch
erfährst du früh genug.«
Schamron legte auf und stemmte sich hoch. Inzwischen hatte Gilah ihm frische Sachen ans Fußende des Betts gelegt: Unterwäsche, eine frisch gebügelte Khakihose, ein Baumwollhemd und seine lederne Bomberjacke mit dem Riss auf der rechten Brustseite. Der Alte streckte eine Hand aus und zupfte sanft daran. Wir ziehen noch einmal gemeinsam in den Kampf, dachte er, zu einem letzten Unternehmen.
Er zündete sich eine Zigarette an und zog sich langsam an, als lege er für den bevorstehenden Kampf eine Rüstung an. Die Lederjacke streifte er sich auf dem Weg in die Küche über, wo Gilah stand und Kaffee kochte.
»Ich habe dir gesagt, dass die Zeit dafür nicht reicht.«
»Der ist für mich, Ari.«
»Du solltest wieder ins Bett gehen, Gilah.«
»Ich kann nicht mehr schlafen.« Sie betrachtete die brennende Zigarette zwischen seinen Fingern, verzichtete aber darauf, ihm deswegen Vorwürfe zu machen. »Versuch bitte, nicht zu viel zu rauchen. Der Arzt sagt …«
»Ich weiß, was er sagt.«
Sie küsste ihn auf die Wange. »Du rufst mich an, sobald du kannst?«
»Ich rufe an.«
Schamron trat ins Freie. Sein Haus war nach Osten ausgerichtet, wo der See Genezareth und die Golanhöhen lagen. Er hatte es vor vielen Jahren gekauft, weil er von hier aus Israels Feinde im Blick behalten konnte. Heute Nacht befanden sich diese Feinde jenseits des Horizonts. Durch ihr Handeln hatten sie soeben dem Dienst den Krieg erklärt. Und nun würde der Dienst zurückschlagen.
Seine gepanzerte Limousine wartete in der Einfahrt. Rami half ihm hinten hinein, bevor er selbst auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Als der Wagen anfuhr, sah sich der Leibwächter nach Schamron um und fragte nach ihrem Ziel.
»King Saul Boulevard.«
Rami nickte knapp. Schamron griff nach seinem abhörsicheren Telefon und drückte eine Kurzwahltaste. Die Stimme, die sich meldete, war jung, männlich und unverschämt. Bei ihrem Klang sträubten sich Schamron unwillkürlich die Nackenhaare. Aus solchen Zeitgenossen Hackfleisch zu machen, gehörte zu seinen liebsten Hobbys.
»Ich muss ihn sofort sprechen.«
»Er schläft.«
»Nicht mehr lange.«
»Ich habe Anweisung, ihn nicht zu stören – außer es droht eine nationale Krise.«
»Dann schlage ich vor, dass Sie ihn wecken.«
»Na, hoffentlich ist diese Sache wirklich wichtig.«
Der Sekretär verbannte Schamron in die Warteschleife, was nie eine gute Idee war. Eine halbe Minute später meldete sich eine schlaftrunkene Stimme, die dem israelischen Ministerpräsidenten gehörte.
»Was gibt’s, Ari?«
»Wir haben heute Nacht in Italien zwei Jungs verloren«, sagte Schamron. »Und Gabriels Frau ist verschwunden.«
Die Haushälterin Margherita hatte die schlimme Entdeckung gemacht. Bei ihrer Vernehmung durch die italienische Polizei nannte sie als Zeitpunkt wenige Minuten nach 22 Uhr, obwohl sie zugeben musste, nicht auf ihre Armbanduhr gesehen zu haben. Diese Angabe passte gut zu den Aufzeichnungen ihres Mobilfunkbetreibers, nach denen sie erstmals um 22.07 Uhr telefoniert hatte. Sie passte auch zu Margheritas eigenen Aufenthaltsorten an diesem Abend. Mehrere Zeugen konnten bestätigen, sie habe das Café in Amelia gegen 21.50 Uhr verlassen – sodass sie reichlich Zeit gehabt hatte, mit ihrem kleinen Motorroller zur Villa dei Fiori zurückzufahren.
Dass irgendwas nicht stimmte – so sagte sie aus –, habe der Wagen vor dem Tor erkennen lassen: ein viertüriger Fiat, der unbeleuchtet schräg auf dem Bankett stand und mit dem Kühler fast einen Baum berührte. Als habe ihn jemand wegen eines Motorschadens oder nach einem kleinen Unfall stehen gelassen. Erst als Margherita ihn mit ihrem Scheinwerfer anstrahlte, fielen ihr die eingeschlagenen Scheiben und die Glassplitter auf, die das Bankett wie Kristalle bedeckten. Jetzt wusste sie auch, woher sie den Wagen kannte: Er gehörte den beiden Freunden des Restaurators, den jungen Männern mit ihren seltsamen Namen und ihrer unbekannten Sprache. Der Polizei erklärte sie, sie habe den zweien ihre Geschichte nie abgenommen. Ihr Vater sei Soldat gewesen, und sie habe daher sofort erkannt, das es sich um zwei Leibwächter gehandelt hatte.
Sie hatte ihren Roller abgestellt und war zu dem Fiat gelaufen, um nachzusehen, ob jemand verletzt sei. Was sie dort entdeckte, ging jedoch eindeutig auf keinen Unfall zurück: Die beiden Männer waren von Kugeln durchsiebt und blutüberströmt.
Obwohl Margherita als Erste befragt wurde, war sie
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