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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Gewalt. Gabriel würde rasch handeln und dabei auch Risiken eingehen müssen. Vorerst hatte er nur einen Mann im Visier: Wladimir Tschernow.
    »Wiktor Orlows Angaben haben sich alle bestätigt«, berichtete Navot Gabriel am Spätnachmittag bei einem Kaffee in der Pianobar. »Wir hören seine Telefone ab und überwachen sein Büro und seine Wohnung. Unsere Jungs sind inzwischen dabei, seinen Computer zu knacken. Der ist gegen Hacker geschützt, aber das wird die Cyberboys nicht lange aufhalten.«
    »Was wissen wir über seine Vergangenheit?«
    »Wladimir Tschernow kommt aus dem KGB. Aus der für den Schutz der sowjetischen Führung und des Kremls zuständigen Neunten Verwaltung. Zuletzt hat er in Gorbatschows Leibwache gedient.«
    »Und als der KGB aufgelöst wurde?«
    »Hat er sich sofort selbstständig gemacht. Er hat in Moskau einen Sicherheitsdienst gegründet und Neureiche darin beraten, wie sie sich selbst und ihren Besitz schützen können. Damit war er recht erfolgreich.«
    »Wann hat er sich hier etabliert?«
    »Vor gut fünf Jahren. Langley hat ihn seit einiger Zeit im Visier. Sollte ihm etwas zustoßen, werden die Amerikaner ihm keine Träne nachweinen.«
    »Alter?«
    »Sechsundvierzig.«
    »Körperlich fit?«
    »Er hat eine Statur wie das Leninmausoleum und achtet darauf, in Form zu bleiben.«
    Navot legte Gabriel seinen PDA hin. Auf dem Bildschirm war ein an diesem Nachmittag gemachtes Überwachungsfoto zu sehen. Es zeigte Tschernow beim Betreten seines Bürogebäudes. Er war ein Hüne, über einen Meter achtzig groß, mit Stirnglatze und kleinen Augen in einem fleischigen, runden Gesicht.
    »Hat er selbst eine Leibwache?«
    »Er fährt einen großen Audi A8, der offensichtlich gepanzert ist. Und vorn neben dem Chauffeur sitzt ein Leibwächter. Ich wette, dass Fahrer und Beifahrer schwer bewaffnet sind.«
    »Familie?«
    »Seine geschiedene Frau lebt mit den Kindern in Moskau. Er hat hier in Genf eine Freundin.«
    »Schweizerin?«
    »Russin. Ein junges Ding vom Land. Verkauft Handschuhe in einem kleinen Laden in der Nähe von Tschernows Büro.«
    »Hat die Kleine einen Namen?«
    »Ludmilla Akulowa. Die beiden gehen heute Abend zum Essen aus. Ins Les Armures.«
    Gabriel kannte das Restaurant. Es lag in der Altstadt in der Nähe des Rathauses.
    »Um welche Uhrzeit?«
    »Halb neun.«
    »Wie weit ist es von seiner Wohnung zum Les Armures?«
    »Nicht weit. Er wohnt in der Nähe der Kathedrale Saint-Pierre.«
    »Wie sieht das Haus aus?«
    »Es ist ein kleines altes Stadthaus. Neben der Haustür ist eine Gegensprechanlage mit Tastenfeld angebracht. Die Bewohner können ihren Schlüssel benutzen oder einen Zahlencode eingeben. Wir haben uns kurz im Haus umgesehen. Es gibt einen Aufzug, aber Wladimir wohnt gleich im ersten Stock.«
    »Und die Straße?«
    »Dort ist es sogar tagsüber ruhig. Und nachts …« Navot zuckte mit den Schultern. »Völlig tot.«
    »Schon mal im Les Armures gegessen?«
    »Hatte leider noch nicht das Vergnügen.«
    »Wenn sie einen Tisch für halb neun bestellt haben, wird es spät, bis sie in seine Wohnung zurückkommen. Dann schnappen wir ihn uns.«
    »Du gehst davon aus, dass Ludmilla ihn begleiten wird?«
    »Ja, Uzi, davon gehe ich aus.«
    »Was hast du mit ihr vor?«
    »Ihr eine Heidenangst einjagen und sie zurücklassen.«
    »Was ist mit dem Fahrer und dem Leibwächter?«
    »Die brauche ich voraussichtlich, um zu demonstrieren, dass ich es ernst meine.«
    »Dann brauchen wir irgendeine Ablenkung.«
    »Deine Ablenkung befindet sich oben in Zimmer 702. Sie wohnt hier unter dem Namen Irene Moore. Aber in Wirklichkeit heißt sie Sarah Bancroft.«
    »Wohin sollen wir die beiden bringen?«
    »An einen Ort jenseits der französischen Grenze. In ein einsames Haus. Sag der Hausverwaltung, dass wir den Reinigungsdienst brauchen werden. Sag Bescheid, dass es schlimm aussehen wird.«
     
    Es gibt viele Snobs, die Genf als langweilig und provinziell abtun – als eine calvinistische alte Jungfer, die zu frigide ist, um ihre Bluse ein Stück aufzuknöpfen. Aber sie haben weder den Klang der Genfer Glocken in einer kalten Winternacht gehört, noch die gepflasterten Gassen bei leichtem Schneefall gesehen. Und sie haben nicht in Gesellschaft einer schönen Russin an einem ruhigen Ecktisch im Les Armures diniert. Der Salat war knackig, das Kalbfleisch superb und der von dem aufmerksamen Sommelier kredenzte 2006er Bâtard-Montrachet von Joseph Drouhin perfekt temperiert. Wie in Genfer Winternächten

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