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Der Olivenhain

Der Olivenhain

Titel: Der Olivenhain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Miller Santo
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nach Rom und wünschte, sie hätte sich wenigstens einmal gefragt, ob sie das Kind wirklich haben wollte. Ihre Wangen glühten vor Scham, als sie daran dachte, wie überstürzt sie ihre Entscheidungen getroffen hatte, nachdem sie auf den Teststreifen gepinkelt hatte. Am liebsten hätte sie fremde Mächte für ihr unüberlegtes Handeln verantwortlich gemacht. Ihre Lippen bebten, und um ihre Verletzlichkeit zu kaschieren, beugte sie sich über die Unterlagen, die ihr die Anwesenheit ermöglicht hatten.
    Normalerweise sah das Bewährungsverfahren nicht vor, dass jemand Partei für die Verurteilten ergriff. Nur die gegnerische Seite hatte das Recht, Einwände schriftlich zu äußern. Erin hatte Wochen an ihrem Brief gefeilt. Sie wollte Debs Entlassung unbedingt unterstützen, aber egal, was sie schrieb, ihr Appell, sie zur Geburt ihres Enkelkindes zu entlassen, klang hohl und leer, sobald sie ihn niedergeschrieben hatte. Doch dann hatte sie im Dezember ein juristisches Hintertürchen entdeckt, durch das sie bei der Anhörung das letzte Wort haben würde.
    Erin wurde durch das Eintreten der Ausschussmitglieder aus ihren Gedanken gerissen. Die beiden Männer gingen eilig an ihre Plätze am oberen Ende des Klapptisches, und bald danach gesellte sich eine zierliche Frau unbestimmten Alters mit einem tragbaren Stenografiegerät dazu. Erin sah die beiden Männer an und dachte besorgt an Bets’ Worte. Plötzlich fürchtete sie wirklich, einem großen Schwindel aufzusitzen und einem Scheinverfahren beizuwohnen, in dem es nur vermeintlich um die Frage ging, ob Deb nach zwanzig Jahren Haft den Weg zurück in die Gesellschaft finden könnte. Je länger der Vollzug dauerte, desto schwerer war die Rückkehr in ein normales Leben.
    Erin musterte die Männer, die gleich über das Schicksal ihrer Mutter entscheiden sollten. Vor sich hatten sie Aktenberge und je ein kleines Mikrofon. Der größere von beiden trug ein kurzärmliges Hemd ohne Krawatte, hatte einen dicken weißen Schnurrbart mit nikotingelben Enden und eine gezackte Narbe am linken Unterarm. Buschige Brauen wuchsen ihm über die schmalen, braunen Augen. Er sah nicht in die Akten, sondern musterte seinerseits die Anwesenden im Raum.
    Als sich ihre Blicke trafen, war es Erin peinlich. Schnell blickte sie zu dem anderen Mann, der bisher kein einziges Mal von seinen Unterlagen aufgesehen hatte.
    Er war eher ein drahtiger Typ, der von der Statur her an einen Langstreckenläufer erinnerte. Er trug ein gelbes Polohemd und Khakihosen, die schütteren blonden Haare waren schlecht geschnitten und die Fingernägel abgekaut. Ziellos blätterte er durch die Akten. Als Anna merkte, dass Erin ihn beobachtete, raunte sie ihr ins Ohr: »Der sieht doch gar nicht schlecht aus, oder? Trägt keinen Ehering.«
    »So genau habe ich nicht hingeschaut«, schnappte Erin laut genug zurück, um einen Wachmann auf den Plan zu rufen, der herbeieilte und hinter ihnen stehen blieb.
    Erin spürte, dass ihre Schwangerschaft sie nicht attraktiver gemacht hatte, eher im Gegenteil. Der angeschwollene Leib verdeckte ihren zierlichen Knochenbau, und ihre Haut war fleckig geworden. Alles in allem glich sie einer überreifen Tomate, die schon braune Stellen hatte und kurz vor dem Aufplatzen war.
    Durch diese körperlichen Veränderungen reagierten die Männer anders auf sie. Hatten sie früher auf Erins Rundungen an Busen oder Taille gestarrt, fanden ihre Blicke nun an keiner Körperstelle mehr Halt. Schon deshalb schien ihr die Strategie, vor dem Ausschuss die arme, verlassene Waise zu mimen, sinnvoller. Sie hatte Callies Rat befolgt und sich zwei Zöpfe geflochten, die Wimpern leicht getuscht und ordentlich Lipgloss aufgetragen.
    Als sie Platz genommen hatten, hatte Erin den Blick gesenkt. Sie erinnerte sich an das Verhalten von Schulmädchen, und als sie nun bemerkte, dass sich die Blicke der beiden Ausschussmitglieder auf sie richteten, legte sie schnell eine Hand auf ihren gewölbten Bauch und fing an, am Daumennagel der anderen Hand zu kauen.
    »Hör sofort damit auf«, zischte Bets und zog ihre Hand vom Mund weg.
    »Bloß nicht nervös werden«, sagte Anna.
    Erin wollte unbedingt, dass die beiden Männer zu ihr herübersahen. Sie sollten ein junges Mädchen vor sich sehen, das von Frauen umsorgt wurde, die eigentlich viel zu alt dafür waren.
    Bets fächelte sich mit einem bestickten Taschentuch Luft zu. »Mein Gott, ist das heiß hier«, seufzte sie. Die Bemerkung richtete sich an den Beamten neben ihr,

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