Der Olivenhain

stillen Pakt mit Gott.
    Carls Mutter konnte ihre Rede nicht halten. Schon nach dem ersten Satz fing sie an, hemmungslos zu schluchzen, dann presste sie nur noch mit matter Stimme hervor: »Mein Sohn! Mein einziger Sohn!«
    Ihre Tochter nahm ihr das Blatt aus der Hand und las die Stellungnahme vor. Lucy las miserabel. Dauernd stolperte sie über Wörter und vergaß meistens, »ich« durch »meine Mutter« zu ersetzen. Erin sah, dass Ms. Rivera die Schultern hängen ließ, dann blickte sie zu den Männern im Ausschuss und sah, dass sie schon längst nicht mehr zuhörten.

G ASTKOLUMNE IN DER W ASHINGTON P OST :
    Der Silber-Tsunami
    Altern in einer globalisierten Welt
    Von Amrit Hashmi
    Wir alle werden älter. Das gilt nicht nur für die Babyboomer-Generation in den USA, sondern für alle Menschen weltweit. Der Altersdurchschnitt nimmt in allen Ländern der Erde zu. Eine Studie der UNO prognostiziert, dass die Zahl der über Fünfundsechzigjährigen sich bis 2050 verdoppeln wird, von heute 7,6 Prozent auf 16,2 Prozent. Das werden dann fast eine Milliarde Menschen sein.
    Na und, werden Sie nun sagen. Vielleicht weil Sie noch zu jung sind, um sich vorzustellen, dass Altwerden ein Problem ist. Vielleicht sind Sie auch schon älter und haben sich damit abgefunden, dass Altern als Teil des natürlichen Kreislaufs zum Leben gehört. Als Wissenschaftler wollen wir Sie keinesfalls davon abhalten, immer älter zu werden, aber mittlerweile können wir eines mit Sicherheit sagen: Altern ist kein zwangsläufiger Vorgang.
    Im letzten Jahrhundert ging man noch wie selbstverständlich davon aus, dass bei nachlassender Reproduktionsfähigkeit im Körper ein schleichender Abbauprozess beginnt, der schließlich zum Tode führt. Diese aus der Evolutionsbiologie abgeleitete Theorie hat sich aber als falsch erwiesen. Die Wissenschaft nimmt heute an, dass der Alterungsprozess, ganz ähnlich wie Krebs, eine Krankheit darstellt, die man bekämpfen kann.
    Viele Beschwerden, die früher als unvermeidlicher Bestandteil des Alterns galten, gehen eindeutig auf Umwelteinflüsse und Lebensgewohnheiten zurück. Die Trübung der Linse beim Grauen Star hängt unmittelbar damit zusammen, wie oft die Pupille grellem Sonnenlicht ausgesetzt war. Und wenn Sie an einer Herzerkrankung leiden, sollten Sie einmal nachrechnen, wie viel Kilo rotes Fleisch Sie in Ihrem Leben verzehrt haben. Die Wechselwirkungen sind eindeutig erwiesen.
    Nun werden Sie denken: Gut, ich kann mich zwar vor dem Grauen Star schützen, aber wie kann man Schmerzen im Knie vermeiden oder Schwerhörigkeit? Und was ist mit dem Gedächtnis? Kann man einer Alzheimer-Erkrankung wirklich vorbeugen? Die Antwort lautet: Ja, man kann es. Denn wir stehen kurz davor, das Rätsel zu lösen, wie sich der Alterungsprozess verlangsamen lässt. Sobald wir alle Umweltfaktoren identifiziert haben, die eine Vergreisung auslösen, können wir möglicherweise schon in naher Zukunft Alterungsprozesse völlig zum Stillstand bringen. Meine Prognose lautet, dass die Welt gegen Ende dieses Jahrhunderts von Methusalems bevölkert sein wird.
    Vergangenes Jahr bin ich auf eine bemerkenswerte Gruppe von Frauen aufmerksam geworden, bei denen der Alterungsprozess, vermutlich aufgrund genetischer Vorbedingungen, stark verlangsamt abläuft. Sie entstammen alle aus derselben Familie, es sind fünf Generationen, wobei eine jünger, agiler und gesünder als die andere ist. Die Jüngste von ihnen erwartet gerade ihr erstes Kind. Dieses noch ungeborene Kind war bisher noch keinen schädlichen Umwelteinflüssen ausgesetzt, die uns heutzutage leider als unvermeidbar erscheinen. Im Erbgut dieser Familie scheint also die Information zu existieren, die uns, wenn schon nicht zum ewigen Leben, so doch zu einem Leben ohne Altern führen kann.
    Im Rahmen eines drastischen Sparprogramms der US-Regierung wurden dem nationalen Institut für Altersforschung jüngst die Mittel gekürzt. Dieses Institut finanziert unsere Forschung; mit der Streichung der Gelder ist die Weiterführung unseres Projekts gefährdet. Langzeitstudien wie unsere und die etlicher anderer Kollegen und Kolleginnen sind absolut notwendig, um den Bedingungen ewiger Jugend auf die Spur zu kommen, denn sie schaffen die Voraussetzung dafür, dass Sie und Ihre Nachkommen tatsächlich eines nicht mehr fernen Tages aus dem Heiligen Gral trinken könnten.
    Mir ist bewusst, dass es dringendere Probleme gibt. Wir führen Kriege, die Wirtschaftslage ist angespannt, und immer mehr