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Der Omega-Punkt: Roman (German Edition)

Der Omega-Punkt: Roman (German Edition)

Titel: Der Omega-Punkt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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passiert irgendwie gar nicht zwischen ihnen, Männern und Frauen, in diesen alten Filmen. Ich bin normalerweise völlig unbeeindruckbar. Aber jedes Mal, wenn ich einen alten Film im Fernsehen gucke, halte ich die Augen offen nach einem Mann, der einer Frau Feuer gibt.«
    Ich sagte: »Schritte in Filmen.«
    »Schritte.«
    »Schritte in Filmen hören sich nie echt an.«
    »Es sind Schritte in Filmen.«
    »Du meinst, warum sollten sie sich da echt anhören.«
    »Es sind Schritte in Filmen«, sagte sie.
    »Ich habe deinen Vater einmal zu einem Film mitgenommen. Hieß 24-Stunden-Psycho . Kein Film, sondern ein Stück Konzeptkunst. Der alte Hitchcock-Film, der so langsam gezeigt wurde, dass es 24 Stunden dauerte, das ganze Ding abzuspielen.«
    »Hat er mir erzählt.«
    »Was hat er dir erzählt?«
    »Er hat mir erzählt, es sei gewesen, als würde man dem Universum beim Sterben zusehen, über einen Zeitraum von ungefähr sieben Milliarden Jahren.«
    »Wir waren zehn Minuten drin.«
    »Er sagte, es sei gewesen, als hätte sich das Universum zusammengezogen.«
    »Der Mann denkt im kosmischen Maßstab. Das wissen wir.«
    »Der Hitzetod des Universums«, sagte sie.
    »Ich dachte, es würde ihn interessieren. Wir waren kaum drin und gleich wieder raus, zehn Minuten, er floh, und ich folgte. Redete kein Wort mit mir bis unten, alle sechs Stockwerke. Damals ging er am Stock. Langsam nach unten, Rolltreppen, Menschenmenge, Korridore, schließlich Treppen. Nicht ein Wort.«
    »Ich habe mich am selben Abend mit ihm getroffen, und er erzählte mir davon. Ich dachte, vielleicht will ich mir das gern anschauen. Den springenden Punkt, dass nichts passiert«, sagte sie. »Den springenden Punkt, zu warten um des Wartens willen. Am nächsten Tag bin ich hingegangen.«
    »Bist du eine Weile geblieben?«
    »Ich bin eine Weile geblieben. Weil selbst wenn etwas passiert, wartet man darauf, dass es passiert.«
    »Wie lange bist du geblieben?«
    »Ich weiß nicht. Eine halbe Stunde.«
    »Das ist gut. Eine halbe Stunde ist gut.«
    »Gut, schlecht, egal«, sagte sie.
    Elster sagte: »Als sie ein Kind war, bewegte sie immer leicht die Lippen, wiederholte innerlich, was ich gerade sagte oder ihre Mutter. Sie sah immer ganz genau hin. Ich sprach, sie sah hin, versuchte, meine Äußerungen Wort für Wort vorwegzunehmen, fast Silbe für Silbe. Ihre Lippen bewegten sich annähernd synchron mit meinen, so synchron es ging.«
    Jessie saß auf der anderen Seite des Tisches, als er sprach. Wir aßen Omelett, wir aßen jetzt fast jeden Abend Omelett. Er war stolz auf seine Omeletts und versuchte, Jessie zum Zuschauen zu bringen, wenn er die Eier aufschlug, mit einer Gabel verquirlte und so weiter, die ganze Zeit redend, Gewürze, Olivenöl, Gemüse, auch das Wort Frittata kam vor, aber sie war nicht interessiert.
    »Es war, als wäre sie eine Ausländerin beim Englischlernen«, sagte er. »Sie klebte geradezu an meinen Lippen, versuchte die Worte zu bestimmen, die ich sagte, zu absorbieren und zu verarbeiten. Sie schaute, dachte, wiederholte, interpretierte. Betrachtete meinen Mund, studierte meine Lippen, bewegte die ihren. Ich muss zugeben, ich war enttäuscht, als sie damit aufhörte. Jemand, der wahrhaft zuhört.«
    Er sah sie lächelnd an.
    »Damals redete sie mit Leuten, fremden Leuten. Macht sie manchmal immer noch. Machst du manchmal immer noch«, sagte er. »Mit wem redest du?«
    Jessie achselzuckend.
    »Mit Leuten in der Schlange auf der Post«, sagte er. »Kindermädchen mit Kindern.«
    Sie kaute, mit gesenktem Kopf, nahm die Gabel, um ihr Omelett auf dem Teller zu drehen, bevor sie es zerschnitt.
    Wir teilten uns ein Badezimmer, sie und ich, aber sie schien kaum dort drinnen zu sein. Ein kleines Toilettenset aus dem Flugzeug, die einzige Spur ihrer Anwesenheit, war in eine Ecke der Fensterbank geräumt. Seife und Handtücher hatte sie in ihrem Schlafzimmer.
    Sie war anmutig, ihr Element war die Luft. Sie ließ es so wirken, als sei nichts an diesem Ort anders als anderswo, in diesem Süden und Westen, auf diesem Längen- und Breitengrad. Sie bewegte sich mit sanftem Gleiten durch die Räume, spürte dasselbe überall, das war es, was da war, der innere Raum.
    Ihr Bett war immer ungemacht. Mehrmals öffnete ich die Tür zu ihrem Zimmer und sah nach, trat aber nie ein.
    Wir saßen noch spät draußen, Scotch für uns beide, Flasche auf der Terrasse und die Sterne in Clustern. Elster betrachtete den Himmel, alles, was vor uns kam, sagte er, ist da

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