Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Opal

Der Opal

Titel: Der Opal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
Vom Netzwerk:
Zwanzigstel der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen konnten. Die gigantischen, vom sanften Glühen riesiger Sphären erleuchteten Lagerhallen in ihrem Inneren. Alt, uralt. Sie träumte von diesem Schiff. Als sie aus diesem Traum aufwachte, fragte sie in ihr leeres Zimmer hinein: »Was ist euer Plan?«

Unterwerfung
     
    Sie erläuterten ihr den Plan. Er ergab keinen Sinn. Die große Wallfahrt, die Latil von Haku schon angekündigt worden war, stellte eine Art religiösen Ritus dar, bei dem eine unsinnige Anzahl von Pilgern jedes Jahr mit einer großen Flotte zu einem Ort aufbrach, den man im Opal als den Ursprung bezeichnete. Der Ursprung war der Opal-Mythologie nach der Ort, an dem der erste Asteroid von nanotechnologisch zurechtgeschneiderten anaeroben Bakterien zu gasförmigen Bestandteilen und Baumaterial reduziert worden war: die ersten Moleküle Luft für den gewaltigen Ballon. Der Ursprung lag angeblich in der so genannten Mitte des Opals. Die allgemeine Konvention nahm zur Stützung dieses Konstrukts an, dass der Opal eine statische Kugel mit einer absolut glatten Oberfläche sei, was natürlich barer Unsinn war, denn sein Umfang schwankte täglich um den Durchmesser großer Gasplaneten (inkl. Ringsysteme), einmal abgesehen davon, dass er aufgrund seiner Eigenrotation eher ein Ellipsoid war als eine Kugel. Es gab keine wirkliche Mitte, aber das störte die Pilger nicht. Latil erinnerte dieser Zirkus an ›Die Reise‹, ein ähnlich phantastisches Unternehmen, bei dem jedes Jahr Milliarden zur ›Erde‹ aufbrachen, die von 2416 an zur Rohstoffgewinnung abgebaut worden war und deren Reste jetzt einen zweiten Asteroidengürtel im Heimatsystem bildeten. Latil hatte noch nie verstehen können, was an diesen kalten, von einem kleinen und kraftlosen Stern bestrahlten Brocken so wunderbar sein sollte, dass manche ihr letztes Geld ausgaben, um ihnen nahe zu sein. Nicht dass sie die Überreste der Erde direkt zu Gesicht bekamen. Alles, was sie sahen, waren Kamerabilder.
    Nach einigen Schlägereien mit Anhängern der ›Reise‹ hatte sie beschlossen, sich nicht mehr öffentlich darüber lustig zu machen. Einmal hatte ihr ein muskelbepacktes Muttersöhnchen in der Wartehalle eines Raumhafens zum Abschied keuchend hinterhergerufen: »Abschaum wie du! Kein Respekt! Keine Ahnung von Tradition!« Weil er sich dabei die Hände zwischen die Beine presste, um seine geprellten Hoden zu schützen, machte er wenig Eindruck. Sein Hemd mit dem Aufdruck ›Reise ‘36‹ war blutbeschmiert, und mit jedem seiner Worte besprühte er es mit mehr Blut aus seinem zerschlagenen Mund. Als er davonhumpelte, lachten sogar einige seiner Mitpilger. Sie verstand es einfach nicht. Vielleicht ging es um Anhänglichkeit. Man legte sich eine Geschichte zurecht, glaubte an sie, und hatte plötzlich ›Wurzeln‹, man war Teil einer Bewegung, eines großen Ganzen, einer Entwicklung. Traditionalisten wie der Fleischklops im Raumhafen waren bereit, für diese Fiktionen zu kämpfen, einige von ihnen waren sogar bereit, dafür zu töten. Anhänglichkeit. Es musste eine ähnliche Art von Anhänglichkeit sein, die jedes Schiff des bekannten Universums dazu verpflichtete, einen so genannten Realnamen zu tragen, das heißt, einen Namen, der in irgendeiner Weise mit der Erde zu tun hatte, mit ihrer Geographie, ihrer Geschichte, ihrer Kultur. Das galt auch für den Opal. Der Opal mochte seine eigenen Gesetze und seine eigene Kultur haben, er mochte sogar seine eigene ›Reise‹ haben, aber an die Namenskonvention hielt man sich auch hier. Sie machte sich also nicht über die große Wallfahrt lustig, als ihr Haku davon erzählte. Sie nahm einfach nur zur Kenntnis, dass der Wahn auch hier triumphierte. Und sie erinnerte sich daran, dass sie vollsynthetisch war und vielleicht deswegen die Anhänglichkeit an Traditionen wie die große Wallfahrt nicht gut verstehen konnte.
    Dieses Jahr sollte die große Wallfahrt insgeheim nach Eline suchen oder zumindest seine Aufmerksamkeit auf sich ziehen, um ihn zum Handeln und möglicherweise zu einer Dummheit zu verführen, die seinen Aufenthaltsort verriet. Wenn Eline Freunde und Mitwisser hatte, die ihm bei seinem Verschwinden und seinem Versteckspiel geholfen hatten, dann waren sie möglicherweise daran interessiert, was während der großen Wallfahrt geschah. Wenn man einen dieser Leute zu fassen bekam, konnte man seine Spur vielleicht bis zu Eline selbst zurückverfolgen. Am ehesten kamen dafür natürlich die Schüler

Weitere Kostenlose Bücher