Der Opal
vielleicht die Haare geschnitten und die Fingernägel sauber gemacht?«
Domale Makes Grinsen wurde noch breiter. »Ach, was kümmern uns solche Äußerlichkeiten«, sagte er. »Deine inneren Werte sind uns wichtig. War alles in deinem Essen.«
Weil sie nicht lange zielen konnte und weil er sehr schnell reagierte, traf ihn das Lexikon nur an der Schulter. Ich bin außer Form, dachte sie, während er sich die getroffene Stelle rieb.
»Hau ab«, sagte sie ruhig, »aber ganz schnell.«
Er verbeugte sich ironisch und verschwand tatsächlich. Das nächste Essen schmeckte ihr nicht.
Als es losging, rauchte sie gerade. Sie tat es nicht aus Trotz oder um die Taan zu ärgern, sondern weitestgehend aus Neugier. Der Ziegel Tabak, den sie aus ihrer Tasche hervorkramte, schien unberührt. Sie schabte ein paar Brösel von dem Block, legte ihn auf eines der übrig gebliebenen Netzpapiere, wartete, bis es sich selbst nahtlos um den Tabak geschlossen hatte, und klopfte mit dem verschlossenen Ende auf den Tisch, um die Zigarette anzuzünden. Das Ergebnis war erstaunlich. Das Funkenglas, das sie am ersten Tag zerschlagen hatte, leuchtete hell auf und veränderte seine Farbe, und kaum dass die Zigarette angefangen hatte zu glühen, konnte sie auch schon keinen Rauch mehr entwickeln. Dort, wo er hätte entstehen sollen, war einfach – nichts. Zwar ging die Zigarette nicht aus, aber sie entwickelte keine Verbrennungsprodukte, die sie hätte einatmen können. Wenn sie so fest wie möglich saugte, erreichte ein winziges bisschen Rauch ihre Zungenspitze, frustrierend wenig. Als sie zumindest ein Loch in die Tischplatte brennen wollte, indem sie die Zigarette darauf ausdrückte, gelang auch das nicht. Sie dachte an einen Ausspruch Bacabs, ihrer einzigen Freundin aus dem Clan: »Wer alles immer sauber will, ist voller schmutziger Gedanken.« Haku war tot, und das schon seit Jahren.
»Latil«, sagte Hakus Stimme. »Kea hat gerade die Einweihungszeremonie eröffnet. Zieh bitte deinen Anzug an, wir müssen gehen.«
Latil seufzte, packte den Tabak ein, schloss die Tasche, stieg in den Anzug, der sich ihr selbsttätig anpasste, und spannte den Helm auf. Alles funktionierte tadellos. Sie musste beinahe über sich lachen, als sie sich bei der Idee erwischte, dass sie einen brandneuen Anzug trug, für den sie nichts bezahlt hatte. Möglicherweise war der Preis für diesen Anzug nicht in Prozent auszudrücken. Das Triumvirat selbst war in Anzüge gekleidet, die mit ihren farbigen Applikationen einen relativ feierlichen Eindruck machten. Sie wurde von den dreien grußlos aus der Tür hinausgeführt, durch einen schmalen Gang, zu einer zweiten Tür, die sich erst öffnete, als Tendrak leicht dagegenklopfte. Sie sah hinaus und ihr wurde schwindlig. Sie hätte alles Mögliche erwartet, einen Korridor, eine Ebene, eine Straße, ein Hafendock, aber nicht einen gigantischen Zylinder, der sich kilometerweit unter ihren Füßen im Bodenlosen verlor. Der Anblick wurde nicht angenehmer dadurch, dass Bänder aus Licht langsam wie Öl an den Innenwänden des Zylinders nach unten krochen. Ihre Zehenspitzen waren zehn Zentimeter vom Abgrund entfernt. Sie schwankte und versuchte es zu verbergen.
»Tricks«, sagte sie laut, »eure widerlichen Tricks.«
»Aber sie wirken«, sagte jemand hinter ihr. Dann wurde sie gestoßen. Während sie sich überschlug, noch ein Blick auf eine große sandfarbene Kugel, die sich schnell von ihr entfernte. Gestalten, die sich von der Oberfläche dieser Kugel abzulösen schienen, um ihr hinterherzustürzen.
Gleiten, Fallen, Gleiten. Sie taumelte. Der Sturz schien gebremst, das merkte sie selbst in ihrem wilden Schlingern, und schon nach einer kurzen Zeit kompletter Panik konnte sie Haku sagen hören: »Die Arme ausstrecken, Latil, und die Beine! Streck Arme und Beine aus!«
Ah, dachte sie, das ist eine gute Idee! Dann schlage ich mit dem Bauch auf! Aber sie gehorchte. Das Taumeln legte sich. Sie geriet in eine stabile Fluglage und fiel mit dem Gesicht nach unten. Jetzt erst merkte sie, dass sie in einem gelben Lichtkreis fiel, der sie an den Wänden des Zylinders entlang begleitete. Wie schnell fiel sie überhaupt? Die drei schlossen zu ihr auf. Sie würde wenigstens nicht allein sterben. Eine dunkle Figur schob sich unter sie, Arme und Beine ausgebreitet. Zunächst hielt sie das für ein Spiegelbild ihrer selbst, aber dann konnte sie unter den Reflexen auf der Helmscheibe, die den gelben Lichtkreis widerspiegelten, Hakus
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