Der Opal
Elines in Frage, die sich auch in großer Anzahl für eine Passage auf der Echo, dem Flaggschiff der Wallfahrtsflotte, beworben hatten. Latil sollte durchaus nicht als blinder Passagier mitgeführt werden, im Gegenteil. Man würde ihre Anwesenheit sogar öffentlich bekannt machen, über ihre eigentliche Funktion sollten widersprüchliche Gerüchte verbreitet werden, die eigentlich nur den Schluss zuließen, dass sie in irgendeiner speziellen Weise mit dem Wunsch zu tun hatte, Eline aufzufinden und unschädlich zu machen. Kurz und gut, es sollte künstlich ein Ereignis geschaffen werden, auf das Eline in der einen oder anderen Art reagieren musste. Erst an der Unzulänglichkeit dieses Plans erkannte sie die abgrundtiefe Verzweiflung der Taan. Sie waren am Ende. Sie pfiffen auf dem letzten Loch. Wenn Eline sich ein volles Jahr unter den Bedingungen der herrschenden Technologie hatte verstecken können, dann konnte er sich in alle Ewigkeit verstecken. Und aus diesem Versteck heraus konnte er jederzeit mit Hilfe der ST den entscheidenden Schlag führen, worin auch immer der bestehen mochte. Latil konnte es sich immer noch nicht vorstellen. Die ST war ein gewaltiges Schiff, aber gegen ein Gebilde wie den Opal selbst war sie doch nur ein Staubkorn.
Als sie Haku danach fragte, sagte er nur vage: »Es gibt Möglichkeiten. Machbar wäre es.«
Obwohl sie mit dieser Auskunft nicht zufrieden war und ahnte, dass man ihr wichtige Informationen vorenthielt, fühlte sie sich wieder auf irrationale Weise dazu gedrängt, ihm einfach zu glauben. Allerdings änderte das nichts daran, dass sie in diesem mangelhaften Plan die Rolle des Köders nicht übernehmen wollte. Wenn Eline wirklich Agenten unter den Pilgern hatte, würde er nicht lange über ihren Auftrag nachzudenken haben. Vor allem dann nicht, wenn man bedachte, dass Taan einander nicht umzubringen hatten. Es kam darauf an, wie ernst er die Bedrohung durch Latil nahm, wie sicher er sich seines Verstecks und seiner Macht war und wie verrückt er war. Dass er verrückt war, daran hatten Haku und Tendrak keinen Zweifel. Latil fiel auf, dass bei den Besprechungen, die jetzt wieder ohne Mondo-Unterstützung geführt wurden, Domale Make nicht teilnahm. Er tauchte erst am Abend vor dem Beginn der großen Wallfahrt auf, um ihr die schwarze Tasche zu bringen.
Als sie den Raumanzug in die Hand nahm, schien er ihr leichter zu sein als früher. Er wirkte wie neu. Ansonsten war er unverändert, wenn man von den Verdickungen kurz unterhalb des Nackenschilds absah, die Domale Make als ›unverzichtbare Anpassung‹ bezeichnete.
»Wofür?«, fragte sie ihn.
»Für den Krieg«, antwortete er. Sie fragte nicht weiter nach, weil sie damit rechnete, dass ihr Erklärungen gegeben wurden, mit denen sie nichts anfangen konnte. Sie würde Haku fragen, wenn sich die Gelegenheit bot. Oder diesen ›zweiten Beauftragten‹, der ihr bisher noch nicht vorgestellt worden war. Domale Makes blaue Augen sahen sie an, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Sie mochte ihn nicht. Sie glaubte nicht eine Sekunde daran, dass der Anzug, den sie in der Hand hielt, noch irgendetwas mit dem Original zu tun hatte, selbst wenn das holographische Logo auf der Brust täuschend echt nachgeahmt war. Der Anzug war ein Produkt der Taan. Gerüstet für einen Krieg nach ihrer Art. Mit dem Lexikon war es ähnlich. Zwar sah es genauso aus wie vorher, aber es lag schwerer in der Hand als das ursprüngliche Lexikon. Aus ihrer Tasche am Boden lugten ihre Kleider hervor, Krimskrams, sogar das eine, zerlesene Buch, das sie immer noch nicht hatte wegwerfen können. Dezent, aber entschieden war ihre Tasche gereinigt worden, das konnte sie selbst auf diese Entfernung sehen. Die Kleider machten den Eindruck, als seien sie gesäubert und danach aus Gründen der Stilechtheit wieder ein wenig zerknüllt worden. Die Taan wollten sie nicht unnötig erschrecken. Sie wog das Lexikon in ihrer Hand. Sie sah ihre Kennungstätowierung. Sie kam sich vor wie eine Barbarin. Sie schämte sich für ihre Rückständigkeit.
»Wir haben es ein bisschen verbessert«, sagte Domale Make.
»In welcher Weise?«, fragte sie.
»Es ist nicht mehr so geschwätzig. Und ein wenig stabiler.« Er lächelte sie arrogant an.
Ja, da gab es wohl doch Unterschiede zwischen den Taan, wie Latil beruhigt feststellte. Dieser hier war zum Beispiel ein Riesenarschloch.
»Und«, fragte sie spaßeshalber, »habt ihr mich auch ein bisschen verbessert? Im Schlaf
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