Der Opal
nicht.
Auch gut, dachte Latil.
Kalte Jagd
»Und du wirst es trotzdem tun«, sagte Kea gelassen. Über ihren Panzer aus künstlichem Chitin leckten blaugrüne Flammen, wie brennendes Magnesium. »Du wirst es tun, weil du dir deinen redlichen Lohn verdienen willst«, sagte sie und sah Latil mit ihren kalten Augen an.
Sie ist schön, musste Latil sogar in diesem Augenblick denken. Die Magnesiumflammen mäanderten über das beigebraune Kunstchitin hinweg und schienen es zu schwärzen, wo sie besonders hell aufleuchteten. Doch wenn das Feuer weiterwanderte, war der Panzer unversehrt. Es gab einmal ein Tier, erinnerte sich Latil vage, das konnte durchs Feuer gehen, ohne zu brennen.
Kea sprang auf sie zu, es hörte sich an wie eine Fackel, die man durch kalte Luft wirft. Sie kniete vor Latil nieder, brennend.
»Du wirst es tun, weil ich dir dafür die Füße küsse«, sagte sie milde. Wenn sie einatmete, brannten die Flammen heller. Und sie tat es wirklich. Latil konnte den Kuss sogar durch ihre Stiefel hindurch spüren. Kea stand auf. Wann hatte sie wohl zuletzt Nidihanns Füße geküsst?
»Du wirst es tun, weil sonst dein eigenes Leben in Gefahr wäre.« Flammen leckten an ihrem Hals, das Fleisch blieb weiß und rein. »Du wirst es tun, weil die Reinen zu dem Schluss gekommen sind, dass du es tun musst.«
Kea kicherte. Sie wandte sich für einen kurzen Moment ab, die Hand vor dem Mund, wie ein kleines Mädchen, das einem Erwachsenen einen besonders gelungenen Witz erzählen will, aber die Spannung noch ein wenig steigern muss.
»Du wirst es tun«, sagte sie und nahm den Blickkontakt wieder auf, »weil ich es sage.« In ihren Pupillen leuchteten kleine blassgrüne Flämmchen auf, und für einen kurzen Augenblick verzerrte sich der Raum um Latil herum wie schmelzendes Gummi. Sie hatte keine Zeit, sich zu fragen, ob die Physik oder nur die Regeln ihrer Wahrnehmung außer Kraft gesetzt waren, dazu war der Effekt zu schnell vorbei.
»Gib doch zu, dass du gar keine andere Wahl hast«, sagte Kea und versuchte mit ihrem Zeigefinger Latils Nasenspitze zu berühren. Für dieses eine Mal war Latil schneller. Sie erwischte den Finger und war gerade dabei, ihn zu brechen, als Kea sie mit einem einzigen spitzen Schrei lahmte, nur ihren rechten Arm.
»Das hat wehgetan«, sagte Kea lächelnd, während das Gefühl langsam in Latils Arm zurückkehrte. »Du brauchst natürlich eine Waffe. Wer kämpfen will, braucht eine Waffe.«
Sie winkte eine der Plattformen herbei, die weiter hinten im Audienzzimmer in den Fächern eines Gestells schwebten. Die Plattform glitt aus ihrem Fach wie eine Zunge aus einem Mund. Sie war kleiner als die Plattformen, die Latil bereits kennen gelernt hatte.
»Leider hast du deine Waffe auf deinem Schiff vergessen. Das Lexikon haben wir zu einem sehr starken Schirm umfunktioniert, der dich vor Attacken wie dieser hier schützt.«
Sie öffnete den Mund unnatürlich weit, und obwohl Latil nichts hörte, spürte sie geradezu, wie der Schall sie durchdrang. Es dauerte nur zwei Sekunden, und an ihrem gesamten Nervensystem, von Kopf bis Fuß, schienen Klemmen angebracht zu sein, die einen ungehemmten Signalfluss verhinderten. Zwar konnte sie einzelne Teile ihres Körpers noch spüren, wie zum Beispiel ihren linken Unterschenkel, aber bewegen konnte sie nur noch ihre Augen. Sie fühlte sich, als habe man Teile ihres Körpers herausgeschnitten, die Schnittflächen vereist und den Schmerz unterdrückt. Kea pfiff, und Latil bewegte sich. Obwohl es sich so anfühlte, zersplitterten ihre Knochen beim Gehen nicht. Sie blieb einen halben Meter von Kea entfernt stehen, machtlos, jenseits der Wut. Ihr Körper fühlte sich an wie eine komplizierte geometrische Konstruktion aus vereisten Schnittflächen. Er fühlte sich an wie ein biotisches Kunstwerk, ein Fleischmondo, das den Befehlen eines schwachsinnigen Körperkünstlers gehorchen muss.
Sie betrachten es als Kunst, dachte Latil. Die große Kunst der Manipulation. Ich muss mir versprechen, Kea umzubringen, sobald ich kann. Ich verspreche es mir. Dieser Gedanke beruhigte sie etwas. Aber nicht sehr.
Die Plattform brauchte recht lange, um zur Passage englouti zu gelangen. Währenddessen machte sich Kea einen Spaß daraus, Latil Vorträge über die Schiffe zu halten. Latil war machtlos, sie musste sich alles anhören, was Kea erzählte, selbst das Nachdenken war schwierig. Das Gerede hätte sie normalerweise nicht gestört, aber Kea wendete eine Stimmlage und
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