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Der Opal

Der Opal

Titel: Der Opal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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beißen.
    Der kleine, blasenförmige Raumhafen der Echo, dem Jägerhangar direkt benachbart, beherbergte nur die Passage englouti. Die Plattform glitt lautlos dahin. Die sehr dünne, aber undurchlässige Membran, die den Raumhafen von der Umgebung trennte, ließ ein wenig Licht ein. Die Passage englouti lag hell und glänzend da, wie eine kleine Perle in einer graublauen Muschel. Wahrscheinlich war der ganze Hafen nichts anderes als eine durchtechnisierte Körperhöhlung der Echo.
    »Das ganze Schiff ist euer Spielfeld, ausgenommen die Kommandozentrale. Dort hat niemand Zutritt außer uns, bis die Siegerin feststeht. Ich zähle auf eure Sportlichkeit. Wer betrügt, wird disqualifiziert und darf von der Gegnerin getötet werden. Die Spielregeln werden strikt eingehalten, dafür sorgen wir.«
    Sie meinte wahrscheinlich die vier Soldaten, die mit Kea, Haku und Latil die Plattform bestiegen hatten und jetzt hinter ihr standen.
    »Mach mir keine Schande«, sagte Kea leise glucksend.
    Haku öffnete die Schleuse. Das Netz, mit dem die Echo die Passage englouti festhielt, wirkte stabiler denn je.
    »Meiner Meinung nach kannst du diesen Kampf bequem gewinnen«, sagte Kea.
    Sie fuhren in die Passage englouti hinein, das Licht änderte sich. Als sich der Verschluss der inneren Schleuse öffnete, sagte Kea: »Jetzt geh hin und schneide sie auf. Treue!«
     
    Ich denke, dachte Latil, dass die Taan nicht nur gut singen, sondern auch sehr gut hören können. Ja, das macht Sinn, das macht Sinn.
    Sie bewegte sich auf eine Art, die sie beim Clan gelernt hatte: immer möglichst wenig Zielfläche für einen Schuss bietend, leise, jeden Vorsprung als Deckung benutzend.
    Humbug, dachte sie. Es geht hier nicht um Schusswaffen, sondern um Schall. Wenn sie mich überfällt, bevor ich das Lexikon gefunden habe, schreit sie mich einfach tot. Vorausgesetzt, sie ist nur halb so gut wie Kea.
    Sie lief trotzdem auf die erlernte Art weiter. Standardprozeduren, alles, was vertraut wirkte, waren seit ihrer Ankunft im Opal das Einzige, was überhaupt Sinn machte, und leise zu sein, nützte ihr hier auf jeden Fall. Sie hatte jetzt wieder die Kontrolle über ihre Bewegungen, aber ihre Beine fühlten sich immer noch so an, als seien sie vor kurzem betäubt gewesen. Tausend rote Blumen der Aufregung blühten an den Rändern ihres Sichtfeldes. Sie hatte optische Täuschungen von kleinen Tieren, die durch ihr Blickfeld wuselten. Angenommen, sie konnte Nidihann überlisten, womit würde sie sie eigentlich töten?
    Mit meinen Händen natürlich, dachte sie. Wo ist das Lexikon?
    Sie stoppte kurz hinter einer wulstig in den Gang hineinragenden Versorgungsleitung, die feinen Querrippen, die die Hauptleitung an der Wand entlang stabilisierten, erinnerten sie an Fischgräten. War es denkbar, dass Kea sie täuschen wollte? Schweiß, Herz, Kamera. In diesem Augenblick wurde sie von Haku und Kea über die schiffseigenen Systeme beobachtet, während die Soldaten die Eingänge zur Kommandozentrale bewachten. Der alte Schweiß, der sich während des Herflugs von Keas Audienzsaal unter ihren Achseln gebildet hatte, begann zu beißen und zu stinken; neuer kam hinzu. Sie brauchte das Lexikon.
    Was bedeutet das überhaupt?, dachte sie, während sie den Gang in einem schattenhaft geschwinden Zickzack kreuzte, von Schott zu Schott, von Leitung zu Leitung. Es knisterte. Als sie sich umdrehte, war nichts zu sehen.
    Wo ist das Lexikon? Was würde eine Taa in dieser Situation machen? Warum muss ich gerade jetzt so dringend pissen?
    Sie verbiss sich das hysterische Gelächter, das sie in diesem Moment für angemessen gehalten hätte. Weiterlaufen. Überleben. Ihre linke Hirnhälfte kochte, ihre rechte war eiskalt, dann umgekehrt. So weit aufgedreht war ihr Körper leicht wie eine Feder.
    Das Lexikon ist in meinem Zimmer. Es liegt dort auf dem Tisch und wartet auf mich. Wenn Nidihann nicht völlig blöde ist, wartet sie auch dort.
    So dachte sie. Das war logisch, aber vielleicht gerade deshalb völlig falsch. Das alte Problem mit der Logik. Sieht gut aus, nützt aber im Alltag nichts.
    In Todesnähe bekam sie einen Hang zur Philosophie. Sie hatte das schon öfter an sich beobachtet. Das verquollene Gesicht einer Wache kam ihr wieder ins Gedächtnis, die sie vor fast zehn Jahren in irgendeinem Lager einer namenlosen Raumstation erwürgt hatte, nur um den Weg zu einem bestimmten Lagerraum freizumachen. Sie hatte die Ware nicht einmal selbst abgeholt, dafür waren die unbekannten

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