Der Opal
eine Sprechtechnik an, die es fast unmöglich machten, ihr nicht zuzuhören.
»…Pflanzentumore. Die Ursprünge der Schiffe waren Pflanzentumore, die wir genetisch manipuliert und einigen Tieren aufprägt haben. Walen zum Beispiel …«
Sie konnte sich nicht umdrehen, um Haku ins Gesicht zu sehen. Sie konnte niemanden schlagen, auch nicht sich selbst. Sie hätte ihre rechte Faust gern in Keas Mund gesteckt.
»…und die Wale wuchsen und wuchsen und hörten nicht mehr auf zu wachsen und entwickelten Frachträume und Ladeklappen und all das andere, und sie wachsen heute noch, sie bilden ihre eigenen Ökologien, weißt du, Latil, hörst du mir zu? Unsere Schiffe sind sehr alt, aber sie wachsen immer noch, sie wachsen genauso schnell wie am Anfang und man kann mit ihnen Sport treiben, Wirtschaft, Politik, und das Schönste von allem, man kann mit ihnen singen. Singen. Nur die Turbinen müssen wir selber machen, wir müssen sie bauen, wir können sie nicht wachsen lassen und wir bauen sie den gewachsenen, lebenden, atmenden Rümpfen ein. Gute Triebwerke. Erinnerst du dich, wie wir euch eingeholt haben? Hörst du mir zu?…«
Die Plattform fuhr eingehüllt in schwingende Lichtbögen, die von Keas Sprachfluss gesteuert wurden. An der Decke wimmelte und flimmerte es. Symbionten drängten sich umeinander wie ein aufgescheuchter Insektenstaat. Sie konnten in ihrer Ruhephase, wenn sie nicht beim Fressen waren, Licht offenbar nicht sehr gut vertragen. Die Plattform wurde von den Riesenflagellanten begleitet, die Latil schon auf ihrem ersten Flug durch die Echo kennen gelernt hatte. Weit, weit unten lagen die Wälder, der Fluss, das Naturspielzeug der Echo. Es strengte Latil an, nach oben, nach unten, nach rechts oder nach links zu sehen, ohne ihren Kopf neigen oder drehen zu können, also blickte sie einfach geradeaus. Sie hätte gern in jede andere Richtung geschaut als geradeaus. Ein Alptraum erwartete sie. Und nicht ihr eigener.
»…Eline. Der Dieb. Hat unser größtes, ältestes, schönstes Schiff gestohlen.« Kea klang ehrlich empört, so wie sie bei der Erzählung über die Ursprünge der Schiffe ehrlich begeistert geklungen hatte.
»Und er bedroht uns. Er will uns alle umbringen. Die Gäste der ST sind schon tot und wir werden es auch bald sein. Nidihann, die süße Nidihann, ist Elines Spionin, das hast du selbst gesagt. Wir haben alles versucht, Latil, das musst du uns glauben. Wir können aber nicht herausfinden, wie sie mit ihm in Kontakt tritt. Sie hat uns bisher nicht zu ihm geführt, aber unsere Zeit läuft ab. Die Reinen sind auf eine Idee gekommen, wie ich dir vorhin schon erklärt habe. Du musst Nidihann töten. Wir müssen Eline zu einer Reaktion zwingen…«
Kompletter Wahnsinn. Wahnsinn auf künstlerischem Niveau. Raus hier, nur raus hier. Kea hatte also die Reinen befragt. Vor einer Stunde noch hatten die Reinen laut Hakus Aussage geschlafen. Aber vielleicht waren sie ja nach Latils Besuch aufgewacht, um Kea die richtigen Antworten auf ihre drängendsten Fragen zu geben.
»Kein Mord!«, sagte Kea triumphierend. »Wir sind keine Barbaren! Ihr müsst miteinander kämpfen. Fair und ehrlich. Ehrenhaft.«
Bei ihren nächsten Worten verwandelte sich Latils Blut mehr und mehr in eine heiße Säure, die Löcher in die Blutgefäße fraß, um das umliegende Gewebe zu verbrennen. Latil konnte nicht mehr unterscheiden, ob Kea diesen Effekt absichtlich hervorrief oder ob sich so ein massiver Adrenalinschub anfühlte, wenn man unter neuronaler Kontrolle durch einen Taa stand.
»Nidihann weiß schon, dass du kommst, um sie umzubringen. Sie hat also einen gewissen Vorteil. Sie ist vorbereitet. Andererseits… im Vertrauen gesagt…« – Kea beugte sich zu Latil herüber, ihre Lippen berührten fast Latils rechtes Ohr -»Nidihann fickt gut, aber sie ist keine große Kämpferin. Deine Chancen stehen gut.«
Sie schwebten zwischen den scharfen Stacheln der Abfangjäger hindurch, manchmal bedrohlich nahe an den glühenden Spitzen vorbei. Einer der Riesenflagellanten, der sich an der Plattform festgesetzt hatte, berührte mit seinem freien Ende einen der Stacheln und wurde heruntergezogen. Es zischte sehr laut, scheinbar waren die Stacheln heiß.
Das macht Sinn, dachte Latil unzusammenhängend. Die Stacheln sind Kühlrippen, die die innere Hitze der Jäger nach außen ableiten. Deswegen ist es hier auch so warm. Sie war in Schweiß gebadet. Sie konnte nichts dagegen tun. Sie konnte Kea nicht einmal ins Gesicht
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