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Der Opal

Der Opal

Titel: Der Opal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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wie die völlige Orientierungslosigkeit von Verunglückten eigentlich zustande gekommen war, sie hatten doch alle Instrumente dabei, die ganze Ausrüstung, alles. Das beigefarbene Innere des Mondes überzeugte sie restlos. Fünf Minuten im Nichts und sie sehnte sich nach der ST, um etwas zu haben, worauf sie sich beziehen konnte, wenn auch nur als Feindin. Hakus Haare bewegten sich im Fahrtwind. Jeder auf der Plattform trug eine Stabwaffe, auch Latil. Sie musste an Linophryne denken und an die stolze Kea. Die anderen Plattformen schwebten ganz in der Nähe. Wenn sie die Augen eine Zeit lang geschlossen gehalten hatte, sah sich Latil nach den anderen Plattformen um. Nützliche Bezugspunkte in der totalen Leere. Ein Mittel gegen das Würgen im Hals und das Karussell im Kopf. Alles in allem gehörten zu dem Kommando etwa hundert Mann. Zwischen den Beinen der Taan standen seltsame kleine Türme, nach Auskunft Hakus enthielten diese Türme das Apo-Enzym, das den Staub in den Lungen der ST erst zum Leben erwecken würde, wenn es freigesetzt wurde. Es war so potent, dass es nur als letztes Mittel galt, denn wenn es erst einmal die Atmosphäre in diesem hohlen Mond völlig durchsetzt hatte, konnte es durchaus die ganze Flotte zum Schmelzen bringen. Außer, dachte Latil, der Passage englouti. Denn ihr Schiff war mehr Technik als Natur, und mit Enzymen würde ihm nicht beizukommen sein. So hoffte sie wenigstens.
     
    Es fühlte sich fast heiter an. Sie hatte erwartet, entweder von der ST mit einem Schallangriff aus dem Himmel geblasen zu werden oder dass die massiven Häute vor den Kiemenöffnungen sich nicht öffnen würden, aber beide Erwartungen erfüllten sich nicht. Die ST riskierte eine Freisetzung des Apo-Enzyms nicht, und wenn sie auch aus reinem Trotz eine Zeit lang ihre Kiemen geschlossen hatte, so wurden die Häute am Ende doch geöffnet, um das Kommando hereinzulassen.
    »Sie muss atmen«, sagte Haku, als sie vor der braunledernen, nach innen gewölbten und von blauen Adern durchzogenen Wand des Kiemenlids schwebten. »Irgendwann muss sie atmen.«
    Und einige Minuten später wurde die Wand mit einem schmatzenden Saugen geöffnet, ohne jede Vorwarnung. Die Druckwelle stieß sie so plötzlich in die Kiemenöffnung hinein, dass sie alle von der Plattform gefallen wären, hätte Haku sie nicht darauf vorbereitet. Die Kiemen waren spiralförmige Gänge, die sich ständig weiter verjüngend im gigantischen Körper der ST aufrollten. Sie hatten zwei Funktionen. Einmal versorgten sie den Leviathan mit Luft zum Atmen. Zum zweiten dienten sie als Wärmetauscher, denn wenn die ST mit hoher Geschwindigkeit flog, war das Plasma, das sie einsaugte, viel zu heiß, um direkt in Kontakt mit ihrem Blut gebracht zu werden, deswegen musste es auf dem Weg zum Gas-Blutaustausch in der langen, langen Kiemenspirale erst abgekühlt werden. Je schneller die ST flog, desto heißer war das eingeatmete Plasma und desto heißer waren Schiffsoberfläche und Schiff insgesamt. Überhitzung war die größte Gefahr für Opalschiffe, jedenfalls bei schnellen Flügen. Bei langsamen Handelstouren bauten die Schiffe in ihrem Inneren aus Wasser-, Kohlendioxid- und schließlich Methaneis gewaltige Kältebarrieren auf, die gewissermaßen als Brandschutztüren gegen die Reibungshitze dienten, denen die Schiffe bei schnellen Flügen ausgesetzt sein konnten.
    Die Fahrt durch die Kiemen der ST war ein Alptraum. Die Kiemen pumpten Millionen Kubikmeter Luft pro Sekunde in das Innere des Schiffes und die Plattformen hatten alle Mühe, in dem Strom nicht mitgerissen zu werden. Es war dunkel und die Lichter der Plattformen reichten nicht weit. Da die ST gerade nicht flog und die Umgebungsluft nur etwa zwanzig Grad warm war, wirkten die Lungenspiralen wie Eisschränke. Was noch an Wärme in der eingeatmeten Luft gewesen war, wurde durch die thermoaktiven Wände des Kanals aus ihr herausgesogen, so dass das Kommando ständig von einem Kältesturm vor sich hergeschoben wurde. Die Anzugsheizungen arbeiteten auf vollen Touren, aber sie hatten trotzdem Schwierigkeiten, die Visiere eisfrei zu halten. Glücklicherweise war die Luft in dem hohlen Mond selbst sehr trocken, aber an den Helmstutzen für nicht wieder verwertbares Atemgas bildete sich sofort ein weißer Nebel aus Eiskristallen, der sich auf allem niederschlug, was in seine Nähe kam. Das vorbeizischende Gas verursachte einen unbeschreiblichen Lärm. Manchmal tauchten rote Funken oder andersfarbige Flächen in

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