Der Opal
kennen lernen.
»Also die Kiemen…«, sagte sie gerade, als Eytarri eintrat. Mit ihm war der kleine Raum wirklich voll, vor allem wenn man Latils und Hakus Entsetzen dazurechnete, das die Luft auf einen Schlag mit einer beißenden Elektrizität erfüllte. Reine Spannung angesichts des Unmöglichen.
»Ihr müsst keine Angst haben«, sagte der Tote. »Die Passage englouti hat mich aufgeweckt, weil sie noch hofft, etwas Nützliches in meinem lebendigen Gehirn zu finden. Sie hat außerdem gesagt, dass ich euch helfen soll.«
Eytarris Gebiss war genau so schlecht wie immer, seine Stimme klang wie sonst. Er fuhr sich nach seiner Begrüßung durch die Haare und machte sie dadurch noch unordentlicher als vorher.
»Wenn ich auch nicht weiß, wie. Helfen, meine ich.«
Latil tat so, als wolle sie ihm auf die Schulter klopfen. In Wahrheit wollte sie nur überprüfen, ob sich Eytarn im festen Aggregatzustand befand.
»Setz dich«, sagte sie mit einer kratzigen Stimme, die ihr selber fremd vorkam. »Setz dich, alter Quatschkopf. Ich habe dich schon vermisst.«
Während Eytarri den letzten freien Stuhl einnahm, überprüfte Latil Hakus Gesichtsausdruck. Da war noch etwas anderes als Entsetzen. Zum Beispiel eine gewisse Ungeduld angesichts der Tatsache, dass Eytarri wieder auferstanden war: Der schon wieder. Haku hatte sich mit dem Tod Eytarris sehr bereitwillig abgefunden, was nicht völlig unverständlich war, wenn man den Schuss in seine Schulter bedachte. Und das ewige Herumreiten Eytarris auf dem Vertrag hätte auch sein Ende gefunden, wenn er einfach tot geblieben wäre. Jetzt saß er wieder da wie eh und je. Oder etwas, das ihm bis auf die Mitesser glich. Haku hielt sich mit seinen Händen an der Tischkante fest. Erst als er merkte, dass Latil ihn genau beobachtete, legte er sie langsam auf die Tischplatte zurück. Er gab sich große Mühe, gelassen und ruhig zu wirken. Das ist es, was mich an den Taan so stört, dachte Latil. Bei all dem Getue gewöhnliche Menschen.
»Eytarri«, sagte sie. »Wir diskutieren gerade die Möglichkeit, über die Kiemen in die ST einzudringen. Haku hat behauptet, das sei der sicherste Weg. Was hältst du von dieser Theorie?«
Eytarri dachte ernsthaft nach, als glaube er wirklich daran, dass seine Meinung an diesem Tisch irgendein Gewicht hätte.
»Es stellt sich natürlich die Frage«, sagte er leise, »wie wir in die Nähe der Kiemenöffnungen gelangen sollen. Wenn die ST uns nicht in sich haben will, dann wird sie wohl kaum zulassen, dass wir ihr zu nahe kommen.«
Wer ist das?, fragte sich Latil. So hätte der alte Eytarri nie geredet. Auch die anderen am Tisch hörten jetzt aufmerksam zu.
»Punkt zwei. Wenn wir hineinkommen, bedeutet das, dass wir in ihrem Blut landen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass wir das wollen.«
Haku lächelte siegesgewiss. »Wir kommen hinein. Indem wir sie erpressen.«
»Sehr gut«, lachte Latil. »Wir erpressen das mächtigste Schiff des Opals. Womit? Verhaftung? Liebesentzug? Grüner Anstrich?«
Haku schnitt eine verächtliche Grimasse. »Wir erpressen sie mit Staub.«
Sie hätte es sich ja denken können. Eine Biowaffe. Zwanzig sehr schnelle Raketen wurden mit dem ›Staub‹ gefüllt, in Wahrheit die kristallisierte Form eines Co-Enzyms, das in seiner vervollständigten Form Zellmembranen von Schiffsgewebe angriff. Zum Glück für Haku und die anderen gehörte eines der größeren und besser bewaffneten Schiffe namens Femto zu den zehn Prozent der Flotte, die nur aus Treue in den Großen Begleiter mitgekommen waren. Sie lag der Thyrrenoi so nah, dass sie kurz vor dem Abschuss der Raketen einen Schallangriff auf das größere Schiff unternehmen konnte. Die Thyrrenoi, völlig überrascht von dem Angriff, hatte alle Mühe sich selbst zu verteidigen, weil ihre Interpretation der Lehre nun einmal darin bestand, sich selbst immer weiter zu dematerialisieren und in ein reines Datenschiff zu verwandeln. Ihre physisch-mechanische Präsenz war nicht sehr stark, und das kleinere Schiff brachte sie schnell in Bedrängnis. Während die Thyrrenoi sich mit der Femto einen kurzen Schlagabtausch lieferte, wurden die Raketen abgeschossen, und die Tatsache, dass keine von ihnen von der Flotte abgefangen wurde, machte deutlich, dass die Thyrrenoi der Kopf der Verschwörung war. Der Himmel des hohlen Mondes war erfüllt von Geschrei. Die Raketen fielen wie Funken hinab zu den beiden länglichen Strukturen und Latil sah ihnen zu. Als die Funken in der stärksten
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