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Der Opal

Der Opal

Titel: Der Opal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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Vergrößerung aufblühten wie kleine heiße Sonnenblumen, wusste Latil, dass der erste Teil des Plans funktioniert hatte: Die ST hatte die Raketen angegriffen, weil ihr gar keine andere Wahl geblieben war, und sie hatte genau dadurch den Staub freigesetzt. Noch immer hallten die Echos des Kampfes zwischen der Thyrrenoi und der Femto von den Innenwänden des Mondes zurück, schwach, aber hörbar; der Knall, mit dem die Raketen ihre Fracht in die Luft geblasen hatten, würde wohl gar nicht von da unten zu ihnen heraufdringen.
    »Die Thyrrenoi bittet um die Erlaubnis, eine Botschaft übermitteln zu dürfen«, sagte die Passage englouti in dem gespreizten Standard, das sie benutzte, wenn sie etwas missbilligte.
    »Lass sie rein«, sagte Latil.
    Der kleine Tintenfisch materialisierte sich über der Tischplatte.
    »Das war sehr dumm von euch. Ihr zwingt mich zu einem Schritt, den ihr bedauern werdet. Ich bedaure ihn auch. Aber mir bleibt keine Wahl. Auf Wiedersehen, ihr Verräter.«
    »Warte«, sagte Latil, als das Mondo schon wieder zu verblassen begann. »Warte, was soll das heißen?«
    »Denk nach«, sagte die Thyrrenoi und verschwand.
    »Es ist nicht wichtig«, sagte Haku wie in Trance. Er war schon nackt. Seine drei Begleiter begannen gerade an seinen Beinen hochzuklettern. Domale Make und Tendrak stellten sich andächtig hin, wie bei einer religiösen Handlung. Haku begann zu singen, und sein Gesang war über weite Strecken wunderschön. Er hatte eine angenehme Baritonstimme, die sich in die Ohren einschlich wie Öl. Wenn Latil es richtig verstand, erklärte er der ST, was sie gerade eingeatmet hatte, dass sie keine Chance hatte und dass es nur um Eline ging, um niemand sonst. Manches von dem, was Haku sang, verstand Latil nicht, entweder, weil es zu verzerrt gesungen wurde, weil sie sich wegen der unmöglichen Frequenzen die Ohren zuhalten musste oder weil Haku zu schnell sang. Die unverständlichen Teile seines Gesangs mochten mit der Wirkungsweise des Enzyms zu tun haben, mochten Drohungen oder Schmeicheleien sein, Latil konnte sie nicht verstehen. Ihr fiel nur trotz des wunderschönen Gesangs auf, wie klein und schmächtig Haku wirkte, wenn er nackt war. Schließlich brach er seinen Gesang ab und umschlang sich selbst, als würde er eine Geliebte umarmen. Die Begleiter klebten dabei auf seinen Schultern und auf seinem Nacken. Tendrak gab dem Sänger seine Kleider.
    Die Antwort der ST ließ nicht lange auf sich warten: ein hohes, von glockenartigen Klängen unterbrochenes Gefiepe und Gezische, ein teils traurig, teils aggressiv wirkendes Chaos aus schmerzlichen Emotionen, das relativ erbärmlich wirkte, wenn man bedachte, dass der Körper, der es hervorgebracht hatte, zwanzig Kilometer lang war. Latil konnte nur ein einziges klares Wort in Taa ausmachen: Verräter.
    »Klingt nicht wie eine Einladung«, sagte sie, als es vorbei war.
    »Ist auch keine«, antwortete Haku und räusperte sich. Er hatte Ringe unter den Augen, er sah schlecht aus. »Ist eine Kapitulation.«
    Ein Mann nach dem Rausch, dachte Latil verächtlich.
    »Lasst uns gehen. Wir haben nicht viel Zeit. Bitte zieht alle eure Raumanzüge an. Schleuse N3.«
    »Moment«, sagte Eytarri. »Halt! Das zweite Problem. Wie kommen wir in die ST hinein? Ich meine, nicht in ihr Blut, sondern in sie selbst?« Er kratzte sich am Kopf, während sich der kleine Raum leerte. »Und da war noch etwas«, sagte er, immer leiser werdend. »Etwas mit einem Vertrag. Ich weiß nicht…«
    Außer ihm war nur noch Latil im Raum. Von den Taan hatte ihm niemand zugehört.
    »Komm jetzt«, sagte sie und zog ihn hinter sich her.

Santissima Trinidad
     
    Und Abstieg. Möglicherweise waren die Taan ja schwindelfrei, aber sie musste immer wieder die Augen schließen, um nicht der Länge nach hinzufallen. Ihr neuer alter Raumanzug spannte am Kragen und unter den Achseln, wenn sie nach oben sah, um den rasch kleiner werdenden Teppich aus Schiffen zu sehen, der am Himmel hing. Sie konnte noch eine ganze Zeit lang die Thyrrenoi im Zentrum des Gewebes ausmachen, ein fahlroter Faden. Der Blick nach oben war weitaus angenehmer als der nach unten, denn wenn man von den zwei winzigen Punkten absah, war dort unten nichts.
    Die Hölle ist beige, dachte sie, und leer. Nichts, woran der Blick sich festhalten konnte, keine Perspektiven, keine Möglichkeit, Entfernungen abzuschätzen, nichts. Zum Glück waren da die zwei Punkte. Latil hatte bei Forschungsberichten von Eisplaneten nie verstanden,

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