Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
in Italien gipfelten. Daniel hatte viel von der Welt gesehen, vor allem in seinen Kinderjahren, und war zu dem Schluss gekommen, dass er Politik studieren wollte.
    »Diesen Platz hier habe ich immer gemocht«, sagte er.
    »Ich auch.«
    »Er hat diese historische Tiefe, die mir an Europa so gefällt. Ich weiß, es ist nahe liegend, dass ein Amerikaner so etwas sagt.«
    »Ich habe noch nie einen Amerikaner kennen gelernt.«
    Beruhigt sagte er: »Er ist über einem Stadion angelegt, das Kaiser Domitian errichten ließ. Wusstest du das? Das Stadion ist verfallen, und die Steine hat man abgetragen und damit Häuser, Kirchen und was weiß ich nicht alles gebaut. Aber die Fundamente waren noch da, und weil die Häuser auf ihnen errichtet worden sind, hat der Platz noch immer die ursprüngliche Form der Rennbahn.« Er schüttelte den Kopf. »Ich find’s toll, dass Menschen zweitausend Jahre lang in den Ruinen eines Sportstadions leben. Das vermittelt einem so ein Gefühl von Kontinuität – von Tiefe. Weißt du, was ich meine?«
    »Ich glaube schon«, sagte sie ernst. Sein verbales Trommelfeuer verwirrte sie. Wie konnte sie solchen Wahrnehmungen etwas Gleichwertiges entgegensetzen? Sie kam sich dumm, missgebildet, wie ein Kind vor; sie hatte Angst, den Mund aufzumachen und sich zu blamieren.
    Er redete noch ein bisschen weiter, hielt dann inne und sah sie schüchtern an. »Hey, tut mir Leid.«
    Das brachte sie zum Lachen. »Du entschuldigst dich immer. Was tut dir denn jetzt schon wieder Leid?«
    »Dass ich dich langweile. Ich bin ein 17-jähriger Langweiler. Mein Bruder meint, deshalb werde ich nie eine Freundin finden. Ich halte ihm immer Vorträge. Ich habe lauter Quatsch im Kopf. Aber das liegt daran, dass ich so intensiv über diese Sachen nachdenke. Es kommt einfach so aus mir raus… Weißt du, du bist schön, wenn du lachst. Und du bist auch schön, wenn du ernst bist. Ehrlich. Ich finde, wir sollten immer die Wahrheit sagen, meinst du nicht? Das ist mir im Pantheon an dir aufgefallen. Deine Haut ist blass, aber sie hat so was Durchscheinendes…«
    Sie merkte, dass ihre Wangen brannten; etwas Warmes bewegte sich in ihrem Innern. »Ich mag deine Ernsthaftigkeit. Wir sollten die Welt ernst nehmen.«
    »Das sollten wir.« Er betrachtete sie. Das Licht schwand jetzt ein wenig, und sein Gesicht schien im Schein der Lampen im Innern des Cafés zu schweben. »Aber nicht immer. Etwas macht dir Kummer, nicht wahr?«
    Sie wandte abrupt den Blick ab. »Das kann ich nicht sagen.«
    »Okay. Aber es hat mit deiner Schwester und deiner Tante zu tun… mit deiner geheimnisvollen Familie.«
    Sie verschränkte die Finger und löste sie wieder voneinander. »Es geht um Pflichten.«
    »Wollen sie, dass du etwas tust, was du nicht willst? Eine arrangierte Ehe oder so? Ich habe gehört, dass es so was bei süditalienischen Familien gibt.« Er versuchte sie auszuhorchen.
    »Ich kann nichts sagen.« Sie wusste es ja selbst nicht einmal.
    Plötzlich legte er seine Hand auf ihre. »Sei nicht böse.«
    Seine Haut war warm, sein Griff fest; sie spürte die Berührung seiner Handfläche auf der Rückseite ihrer Finger. »Ich bin nicht böse.«
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.« Er zog seine Hand zurück; die Luft fühlte sich kalt an. »Hör mal, ob du’s glaubst oder nicht, ich will nichts von dir. Du bist ein hübsches Mädchen«, setzte er hastig hinzu. »Das meine ich nicht. Jeder würde dich hübsch finden. Aber – etwas an dir zieht mich an. Das ist alles. Und jetzt, wo ich dir ein bisschen näher bin, sehe ich, dass dich etwas bedrückt. Ich möchte dir gern helfen.«
    Auf einmal war die Intensität des Augenblicks zu viel für sie. »Das kannst du nicht.« Sie stand auf.
    »Wohin gehst du?«
    »Auf die Toilette.«
    Er war geknickt. »Du wirst nicht zurückkommen.«
    »Doch, das werde ich.« Aber sie merkte, dass sie sich nicht sicher war.
    »Hier.« Er holte eine Visitenkarte aus einer Tasche. »Das ist meine Handynummer. Ruf mich an, wenn du etwas brauchst, was auch immer es sein mag.«
    Sie hielt die Karte zwischen Daumen und Zeigefinger. »Ich gehe doch bloß auf die Toilette.«
    Er lächelte schwach. »Na ja, falls du dich unterwegs verläufst. Steck sie in deine Handtasche. Bitte.«
    Sie lächelte, ließ die Karte in ihre Handtasche fallen und betrat das Café. Als sie sich umschaute, sah sie sein Gesicht; seine blauen Augen folgten ihr.
    Aber dann gelangte sie schließlich nicht einmal bis zur Toilette.
     
    Sie kamen

Weitere Kostenlose Bücher