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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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behielt nur die Fotos und ein paar Bücher, die eine gewisse Resonanz in mir auslösten – einen uralten Straßenatlas des britischen Automobilclubs, der ein verschwundenes Großbritannien zeigte, und einige seiner Churchill-Biografien –, nichts, was ich je gelesen oder benutzt hatte, sondern Artefakte, die einen Platz in meiner Erinnerung einnahmen. Ich wollte dieses Zeug gar nicht haben, aber ich brachte es natürlich nicht über mich, es wegzuwerfen, und ich wusste, dass Gina nichts davon nehmen würde.
    So packte ich alles in einen Koffer und hievte ihn in den Kofferraum meines Wagens. Die Schachtel mit der TV21 -Sammlung landete ebenfalls dort und begann damit ihre Reise von einem Dachboden zum anderen. Ich fragte mich, was mit all diesem Kram passieren würde, wenn ich meinerseits starb.
    Das kleine Foto meiner »Schwester« behielt ich jedoch bei mir.
    Ich meldete das Telefon ab und regelte auch solche Details wie die Kündigung des Kabelanschlusses, ließ jedoch Strom, Gas und Wasser weiterlaufen und die Beträge von meinem Konto abbuchen, damit das Haus trocken und heil blieb und ich es künftigen Käufern besser präsentieren konnte. Am letzten Morgen mähte ich das Gras, ebnete die Ameisenhügel ein und jätete ein bisschen Unkraut. Ich hatte das Gefühl, das tun zu müssen. Die alten Azaleen würde ich vermissen. Ich überlegte, ob ich einen Ableger mitnehmen sollte, wusste aber nicht, wie das ging. Ich hatte ohnehin keinen Garten, in dem ich ihn hätte einpflanzen können.
    Ich bestellte eine Entrümpelungsfirma, die in den Gelben Seiten mit »freundlichem, mitfühlendem Service« warb. Ein Schätzer mit dem konsequent trübseligen Gehabe eines Beerdigungsunternehmers kam, warf einen raschen, effizienten Blick auf die Möbel und Einrichtungsgegenstände und machte ein Komplettangebot, das mir ruinös niedrig erschien. Ich konnte mir vorstellen, wie mein Dad darauf reagiert hätte, und der loyale Teil in mir hatte nicht übel Lust, das Angebot zurückzuweisen. Aber ich wollte die Sache hinter mich bringen, womit der Schätzer sicherlich rechnete, und so geschah es dann.
    Als letzten Schritt suchte ich einen Immobilienmakler auf, um ihn mit dem Verkauf des Hauses zu beauftragen. Dort hielt mir ein junger Kerl mit hingegelter Stachelfrisur und billigem Anzug einen Vortrag über die »schlechte Marktlage« und wie lange es dauern würde, ein Angebot zu bekommen. Wir verhandelten über den Verkauf meines Elternhauses, und das Arschloch mit Gelfrisur spürte vermutlich meine Verwundbarkeit. Aber zur Hölle damit. Ich unterschrieb die Formulare und spazierte hinaus.
    Die Schlüssel ließ ich bei Peter. Er versprach, nach dem Haus zu sehen, bis es verkauft wurde. Mir war nicht ganz wohl dabei – der Gedanke, nun irgendwie in seiner Schuld zu stehen, behagte mir nicht –, aber wenn ich das Haus nicht selbst hüten wollte, brauchte ich jemanden, der tat, was er mir anbot.
    Ich wusste nicht recht, woher mein Unbehagen rührte, was Peter betraf. Er hatte immer etwas Bedürftiges an sich gehabt. Und wenn er sich wieder in mein Leben drängeln wollte, hatte er nun einen Ansatzpunkt dafür gefunden. Vielleicht bildete er sich ja ein, wir würden Internet-Brieffreunde werden und Erinnerungen an TV21 austauschen, dachte ich. Vielleicht hatte Peter ebenso wie das Arschloch mit Gelfrisur meine Verwundbarkeit gespürt und wollte sie zu seinen eigenen Zwecken ausnutzen.
    Vielleicht war ich aber auch einfach nur hartherzig. Wie auch immer, als ich mich auf die Rückfahrt nach London machte, sah ich, wie er mir mit einer Hand voll Schlüssel nachwinkte.
     
    Bei meiner Rückkehr an meinen Arbeitsplatz gab es dort für mich buchstäblich nichts zu tun. Was Ihnen alles über meine Karriere sagt, was Sie wissen müssen.
    Ich arbeitete bei einer ziemlich kleinen Software-Entwicklungsfirma namens Hyf – ein angelsächsisches Wort, das offenbar die Wurzel von hive – Bienenhaus – ist, denn wir sollten alle sehr emsige Bienchen sein. Die Firma hatte ihren Sitz in der Nähe der Liverpool Street, in der oberen Etage eines ehemaligen kleinen Bahnhofs, der schon vor langer Zeit aufgegeben worden war. Außer dem Großraumbüro gab es noch eine kleine Hardware-Abteilung, wo Minirechner in blauem Licht und klimatisierter Luft vor sich hin summten. Es war eine Umgebung aus schulterhohen Trennwänden und trendigen gebogenen Schreibtischen, die es einem unmöglich machten, nahe an den PC heranzukommen, ohne die Arme wie ein Gibbon

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