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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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einen perversen Stolz.
    Peter flüsterte erneut, aus dem Dunkeln: »Sie muss sich schon einiges davon selbst zusammengereimt haben, George. Auch wenn sie den Tatsachen nicht ins Gesicht sehen wollte. Ich fasse es für sie nur in Worte. Sie hat es die ganze Zeit gewusst. Wirklich, sie ist zu klug für den Schwarm. Sie ist klüger, als ihr gut tut.«
    »Aber sie hört zu«, sagte ich rasch. »Wir sollten die Ruhe bewahren. Tu nichts, was du hinterher nicht wieder gutmachen kannst. Wir bringen den Orden dazu, sich zu öffnen, die medizinischen Profis zu holen, die Sozialarbeiter…«
    »Dazu ist keine Zeit«, sagte er.
    »Warum nicht?«
    »Keine Zeit…« Er verstummte und atmete schwer.
    Ich schlich mich davon. »Ich glaube, er wird müde«, sagte ich zu Rosa.
    »Dann musst du wohl eine Entscheidung treffen«, sagte sie, »bevor er einschläft und dabei seine Totmannschaltung auslöst.«
    »Ich muss eine Entscheidung treffen?«
    »Ich kann nicht mehr sagen. Aber vielleicht hört McLachlan auf dich. Du kannst ihn ermutigen, uns alle in die Luft zu jagen. Oder du kannst ihn überreden, von hier zu verschwinden.« Natürlich hatte sie Recht, erkannte ich zu meinem Entsetzen; die Entscheidung lag bei mir. »Denk daran«, sagte sie kalt, »dass es hier einen Platz für dich gibt. Selbst jetzt noch, sogar nachdem du diesen Wahnsinnigen in unsere Krypta gebracht hast. Dies kann dein Zuhause sein. Wenn du etwas tust, was uns schadet, dann verspielst du auch diese Chance.«
    Mir war, als röche ich die Semtex-Pfunde, die Peter irgendwo im Gestein untergebracht hatte, als spürte ich das gewaltige Gewicht der unterirdischen Stadt um mich herum mit den tausenden von Leben darin.
    Hinter uns saß Lucia stumm auf ihrer Bank, ihr Baby auf dem Schoß; ihr Blick war auf sein Gesicht gerichtet, als wollte sie uns ausschließen, eine bösartige Welt, die sie und ihr Kind benutzen und beherrschen wollte, selbst diejenigen von uns, die von dem Wunsch geleitet waren, sie zu retten – und ich konnte es ihr nicht verübeln.
     
    Jetzt war ich derjenige, der auf und ab marschierte. Ich versuchte, das Hämmern meines Herzens und den vagen Gestank der Krypta zu ignorieren und klar zu denken.
    Stimmte ich Peter zu?
    Seine Theorien über Schwärme und Eusozialität waren gut und schön. Aber die Realität der Krypta, die ich in meinem Blut spürte, war erheblich wärmer, erheblich freundlicher als seine feindselige Analyse. Und ich hatte keine Lust, mit Rosa über die Geschichte des Ordens und seine Arbeit im Verlauf der Jahrhunderte zu diskutieren. Was immer Peter gesagt hatte, ich fand, dass ich ebenso wenig das Recht hatte, die Krypta aufzulösen, wie den Vatikan zu schließen.
    Und dann war da der Homo Superior.
    Ich hatte mit eigenen Augen gesehen, dass Peters »Koaleszenten« nicht wie andere Menschen waren. Vielleicht waren sie tatsächlich eine höher entwickelte Art; vielleicht hatte Rosa Recht damit, dass wir die warme, fruchtbare Disziplin des Ordenslebens brauchen würden, um eine schwierige Zukunft auf einer übervölkerten Erde zu bewältigen. Falls das zutraf, welches Recht hatte ich dann, Entscheidungen über ihre Zukunft zu treffen?… Ich merkte, dass ich den Boden unter den Füßen verlor. Ich sog die dicke, muffige Luft in die Lugen, sehnte mich plötzlich nach einem Schwall frischer, kühler, sauerstoffreicher Oberflächenluft, um die Spinnweben aus meinem Kopf zu vertreiben. Ich war nur ein einzelner Mensch, mit Fehlern behaftet, verletzlich, sterblich, erbärmlich unwissend, und diese Fragen weiteten sich auf jeder Ebene dermaßen aus, dass sie mein Begriffsvermögen überstiegen. Wie konnte ich überhaupt eine solche Entscheidung treffen?
    Aus irgendeinem Grund dachte ich an Linda, meine Ex-Frau. Sie hatte immer viel mehr gesunden Menschenverstand besessen als ich. Was würde Linda sagen, wenn sie hier wäre?
    Schau dich um, George.
    Lucia sah zu mir auf, Verwirrung im Blick, der Körper mitgenommen von den Geburten, das Gesicht vorzeitig von Schmerz gefurcht.
    Hör auf mit dem Quatsch. Denk daran, was du zu dem jungen Daniel gesagt hast: Du hast ihn bewundert, weil er menschlich auf diese elende kleine Lucia reagiert hat. Du warst so schwülstig wie immer, aber du hattest Recht. Nun, schau dir Lucia jetzt an, George; schau sie dir an, mit ihrem kleinen Baby. Ich würde dir nicht zutrauen, ein Urteil über die Zukunft der Menschheit zu fällen. Und dein selbstmitleidiges Gewinsel, ob du kinderlos sterben wirst oder nicht,

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