Der Orden
wohltätigen Zwecken gegründet. Wir erziehen Kinder und bilden sie aus. Wir bewahren Wissen, das sonst verloren wäre. In schwierigen Zeiten sind wir eine Zuflucht für schutzbedürftige Frauen… Das alles können Sie nicht leugnen.«
»Natürlich nicht«, sagte Peter. »Aber ihr seht euch selbst nicht mit klarem Blick. Das könnt ihr nicht; ihr sollt es auch nicht. Rosa, selbst Sie als draußen Geborene sind schon zu lange hier. Eure rationalen Zielsetzungen – die Religion, eure kommunalen Projekte – sind nur Nebenprodukte. Nein, mehr als das – sie sind der Leim, der euch verbindet, blendende Konzepte, die euch den Verstand vernebeln. Aber sie sind nicht der eigentliche Daseinszweck des Ordens. Sie könnten durch andere Ziele ersetzt werden – Grausamkeit statt Wohltätigkeit, Vergeblichkeit statt Nützlichkeit –, und der Orden würde genauso gut funktionieren. Die Wahrheit ist, dass der Orden nur um seiner selbst willen existiert…«
In holprigen Sätzen umriss er seine Überzeugungen. Der Orden sei ein Ameisenhaufen, eine Mullenkolonie, ein Termitenhügel, erklärte er ihr. Er sei keine menschliche Gemeinschaft. »Eure Hand voll mamme-nonne, die Kinder herauspumpen. Eure sterilen Schwestern…«
Rosa runzelte die Stirn. »Der Zölibat ist bei katholischen Orden üblich.«
»Nicht zölibatär. Steril«, zischte er.
Sie hörte sich seine Argumente an. In ihrem Gesicht arbeitete es.
»Und Sie können nicht mit Lucias Realität argumentieren«, sagte er. »Angenommen, sie käme in eine Praxis in Manchester. Der Arzt würde sie für außergewöhnlich halten – und das würden Sie auch, wenn Sie nicht hier aufgewachsen wären. Ihr wart alle viel zu lange in dieser Höhle. Zeit genug für Anpassung, Selektion – Evolution, Rosa.«
Lucia schaute zu mir hoch. »Was sagt er da? Wenn ich kein Mensch bin, was bin ich dann?«
Rosa berührte ihre Hände. »Schsch, mein Kind. Ist schon gut…« Sie marschierte auf und ab, ihre Absätze klackerten leise über den Steinboden. Ich hatte keine Ahnung, was in ihrem Kopf vorging.
»Angenommen, es stimmt«, sagte sie plötzlich. »Es fällt mir schwer, diesen Unsinn zu verstehen – aber angenommen, ich gebe Ihnen Recht. Dass wir hier eine… eine Art sich selbst organisierendes Kollektiv geschaffen haben. Sogar, dass es bei uns nach all diesen Jahrhunderten gewisse Abweichungen vom normalen menschlichen Erbgut gibt.«
»Jetzt wachen Sie allmählich auf«, sagte Peter.
»Ich glaube nicht, dass Sie in der Position sind, mich von oben herab zu behandeln«, fuhr sie auf. »Wir sollten nicht vergessen, dass Sie der Verrückte sind, der mit einer Ladung Semtex im Arsch in einem Loch in der Wand steckt.«
»Weiter, Rosa«, sagte ich rasch. »Angenommen, es stimmt. Was dann?«
»Dann« – sie hob die Hände und den Kopf zu den über uns verborgenen Ebenen der großen unterirdischen Stadt –, »wenn dies ein neuer Weg ist, ist es vielleicht ein besserer Weg. Wir haben eine Möglichkeit gefunden, eine Gemeinschaft auf sichere und gesunde Weise aufzubauen und zu erhalten, und das bei Bevölkerungsdichten, die um ein Mehrfaches größer sind als jemals in der Geschichte der Menschheit. Was ist der Zweck jeder menschlichen Gemeinschaft? Doch wohl, ein System zur Verfügung zu stellen, in dem möglichst viele Menschen ein möglichst langes, gesundes, glückliches und friedliches Leben führen können. Wäre es nicht besser für die Menschheit und diesen ganzen übervölkerten Planeten, wenn alle so friedlich zusammenleben würden wie die Menschen hier?«
»Kleine Drohne, du weißt zu viel«, flüsterte er.
Sie trat kühn an die Spalte. »Zeig mir dein Gesicht, McLachlan.«
Er schaltete seine Taschenlampe ein. Sein Gesicht wurde auf unheimliche Weise von unten beleuchtet; es schwebte im Schatten, und seine Miene war unergründlich.
»Angenommen, Sie haben Recht«, sagte Rosa. »Angenommen, wir sind eine neue Art – Ihr Wort war ›Koaleszenten‹.«
»Ja.«
»Sollten Sie uns dann nicht als das akzeptieren, was wir sind?« Sie breitete die Arme aus. »Was haben Sie hier in dieser Höhle unter der Via Appia vorgefunden? Sind wir nicht der Homo Superior?«
Er schaltete seine Taschenlampe aus; sein Gesicht verschwand in der Dunkelheit.
Rosas Miene war angespannt, beinahe triumphierend.
Ich fragte: »Glaubst du das wirklich?«
Sie warf mir einen Blick zu. »Ach was. Ich will nur, dass er da rauskommt.« Sie war wirklich eindrucksvoll, merkte ich; ich verspürte
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