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Der Orksammler

Der Orksammler

Titel: Der Orksammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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entlarven, der mit menschlichen Organen für medizinisch-thaumaturgische Zwecke handelte.
    Als er nun die Klinke zu Meister Wylfgungs Vorzimmer herunterdrückte, stellte er fest, dass er gespannt darauf war, den Obersten Verwalter kennenzulernen.
    Er betrat ein schlauchförmiges Zimmer, dessen Wände von Aktenschränken eingenommen wurden. Auf der gegenüberliegenden Seite führte eine mächtige graue Tür ins Allerheiligste des wichtigsten Mannes von Torrlem. Rechter Hand, hinter einem ordentlichen Schreibtisch, stand eine junge Frau, den Rücken ihm zugewandt, und durchwühlte die Schublade einer Hängeregistratur. Das eng geschnittene Kostüm aus dezentem graugrünem Stoff betonte ihr strahlend blondes Haar, das in Wellen über die Schultern bis fast zu den Hüften hinabfiel. Das Mädchen schien bester Laune zu sein, es summte leise vor sich hin.
    Auf Hippolits Räuspern drehte sich die Sekretärin schwungvoll um. Sie hatte ein fein geschnittenes Gesicht mit auffallend blasser Haut und riesigen tiefblauen Augen.
    »Sie wünschen?«
    Hippolit zögerte. Er verspürte kein Verlangen, von einem derart liebreizenden Geschöpf weggeschickt oder gar ausgelacht zu werden, wie es häufig der Fall war, wenn er sich und seinen lächerlichen Knabenkörper als hochrangiger Ermittlungsbeamter zu erkennen gab. Er wollte dieses Mädchen nicht unter Verweis auf seine diversen Sonderbefugnisse maßregeln und sich unter Androhung herber Sanktionen seinen Weg zum Obersten Verwalter freikämpfen müssen. Aber wie so oft würde ihm wohl kaum etwas anderes übrig bleiben …
    Schweren Herzens stellte er sich vor. Er zeigte seinen IAIT-Ring, nannte den Grund seines Hierseins und erwähnte den Termin, den Mervynia für ihn bei Meister Wylfgung ausgemacht hatte.
    Das Mädchen hörte aufmerksam zu, ohne ein einziges Mal den Bück von ihm abzuwenden.
    Und dann geschah etwas Erstaunliches: Anstatt mit der üblichen Mischung aus Unglauben und Ablehnung zu reagieren, teilten sich ihre Lippen zu einem fröhlichen Lächeln, das strahlend weiße Zähne freilegte.
    »Sie sind vom IAIT? Dem IAIT?« In ihrer Stimme schwang unverhohlene Überraschung mit und etwas anderes. Ehrfurcht? Hippolit kam nicht umhin zu bemerken, dass ihr Kostüm über der Brust verflixt eng geschnitten war. Bei Lorgon, wie lange war es eigentlich her, dass er mit einer Frau zusammen gewesen war? Dreißig Jahre? Länger?
    »Äh … ja. Ja, genau: dem IAIT«, stammelte er. »Und ich habe da wie gesagt einen Termin mit …«
    »Bei Ubalthes, ist das aufregend! Ich habe alles über Sie und Ihr Institut gelesen!« Das Mädchen klatschte in die Hände, eine bezaubernd naive, aufgrund der Geschmeidigkeit ihrer Bewegungen zugleich irgendwie erotische Geste. An Hippolits Schläfe begann es zu pochen – zur Abwechslung einmal nicht vor Wut.
    Bleib auf dem Teppich!, ermahnte er sich. Auch wenn sie dich nicht gleich rauswerfen oder deine Mutter verständigen will, bedeutet das noch lange nicht, dass du dir Chancen bei ihr ausrechnen kannst! Sie ist locker Mitte zwanzig und sieht aus wie der blütenreine Schöpfungsmorgen. Du dagegen bist nichts als ein verkrüppeltes Kind mit …
    »Oh, zu gerne würde ich mehr über Ihre Arbeit erfahren, Meister H.I« Der Blick ihrer blauen Augen ging ihm durch Mark und Bein. »Gewiss erleben Sie auf der Jagd nach gesetzesbrüchigen Thaumaturgen die unglaublichsten Dinge? Abenteuer, von denen eine einfache Sekretärin sich gar keine Vorstellung machen kann?«
    »Nun ja, ab und zu kommt es schon vor, dass gewisse …«
    »Ich würde alles dafür geben, Ihren Erlebnissen zu lauschen!«
    Bildete er es sich nur ein, oder hatte sie das Wort »alles« gerade recht auffällig betont? Unsinn, er benahm sich keinen Deut besser als Jorge, der noch das angewidertste Naserümpfen einer alten Vettel auf der gegenüberliegenden Straßenseite als Aufforderung zum Geschlechtsverkehr missdeutete. Andererseits hatte er im Gegensatz zu seinem Assistenten immerhin einen reellen Grund für seine armseligen Gedankenspiele: Es kam nicht oft vor, dass einem weiblichen Gesprächspartner zwischen sechzehn und Sechsundsechzig weder der Umstand seiner scheinbaren Jugendlichkeit etwas ausmachte noch die Totenblässe seines Leibes.
    »Ich weiß, es steht mir nicht zu, das zu fragen aber … also, falls Sie im Zuge Ihrer Ermittlungen länger in unserer Stadt weilen sollten, könnten Sie sich dann eventuell vorstellen, sich einmal mit mir zu treffen? Ich würde so gerne mehr über

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