Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Orksammler

Der Orksammler

Titel: Der Orksammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
Vom Netzwerk:
mit der Visualisierung thaumaturgischer Signaturen vertraut.
    Als Hippolit sich schließlich erkundigt hatte, an welchen Punkten der Stadt ihrer Suche nach dem flüchtigen Mörder möglicherweise Erfolg beschieden sein könnte, war das Gespräch in eine weniger angenehme Richtung gekippt.
    »Sie müssen verstehen«, fuhr Wylfgung fort, als habe er Hippolits Gedanken gelesen, »in der Grabstadt leben etliche tausend Bürger – Menschen, Eiben, ein paar Zwerge –, und nahezu alle arbeiten im Bestattungsgewerbe, am einen oder anderen Ende dieser großen, gut geölten Maschinerie namens Torrlem. Unsere Stadt verfügt über dieselben sozialen, administrativen und ökonomischen Strukturen wie jede andere Metropole Sdooms.« Er faltete die Hände auf der Tischplatte und bedachte Hippolit mit einem milden Blick. »Angenommen, mein Finanzminister unterschlüge eine hohe Geldsumme und setzte sich damit nach Nophelet ab. Angenommen, ich käme zu Ihnen, um Sie zu fragen, wo er sich versteckt halten könnte. Sie würden mir auch keinen sachdienlichen Tipp geben können, oder? Und in Ihrem aktuellen Fall wissen wir noch nicht einmal, wie der Gesuchte überhaupt aussieht, welcher Rasse er angehört und in welcher Nachbarschaft er sich folgerichtig am ehesten umtun würde. Wenn Sie verstehen, was ich meine?«
    Hippolit stellte fest, dass ihm der Mann sympathisch war. Es tat wohl, sich zur Abwechslung mit jemandem zu unterhalten, der in ihm nicht nur einen belanglosen Knaben sah und sich darüber hinaus – was annähernd ebenso selten vorkam – in ganzen Sätzen zu artikulieren vermochte.
    »Da haben Sie nicht unrecht, Meister Wylfgung« erwiderte er ruhig. »Dennoch könnte ich Ihnen zumindest das eine oder andere Stadtviertel in Nophelet nennen, wo weitere Nachforschungen nach Ihrem betrügerischen Finanzminister am ehesten fruchten könnten.«
    Der Oberste Verwalter winkte lachend ab. »Die Nachforschungen nach meinem fiktiverweise betrügerischen Finanzminister! Meister Jyuchim ist eine Bastion der Verlässlichkeit, er versieht seine Funktion als Verwalter unseres Finanzetats seit Jahrzehnten ohne Makel. Ich würde es mir niemals verzeihen, wenn auch nur der geringste Schatten eines Verdachts auf seine Person fiele!«
    »Natürlich. Es war ja auch nur ein Beispiel.«
    In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Wylfgungs Sekretärin betrat das Zimmer. Auf einem Tablett balancierte sie eine kunstvoll geschliffene Karaffe mit rubinrotem Inhalt sowie zwei langstielige Gläser.
    Unauffällig beobachtete Hippolit das Mädchen, wie es die Gläser auf dem Tisch abstellte und jeweils drei Fingerbreit Flüssigkeit aus der Karaffe eingoss.
    »Portwein aus Repurth, dem sonnigen Herzen Enopaclas«, verkündete sie. »Da während der Dienstzeit der Genuss von Alkohol in den Räumen der Verwaltung nicht gestattet ist, wurde er diesem Tropfen auf Meister Wylfgungs Geheiß vermittels thaumaturgischer Subtraktion entzogen. Wohl bekommst« Sie verbeugte sich artig und schickte sich an, ins Vorzimmer zurückzukehren. Bevor sie durch die schwarze Tür verschwand, hatte Hippolit kurz den Eindruck, dass sie ihm zulächelte. Aber er konnte sich täuschen.
    »Sie erwähnten, Torrlem böte unserem Mörder nicht allein oberirdische Möglichkeiten, sich zu verbergen«, sagte er rasch, um seine Irritation zu überspielen. »Das Wort ›subterran‹ fiel. Was meinten Sie damit?«
    »Nun, ich meine natürlich die Kanalisation.« Meister Wylfgung ergriff sein Glas mit spitzen Fingern, ließ den Inhalt mehrere Male kreisen und nippte daran. »Wie Sie sicher wissen, verfügt Torrlem über eines der ausgeklügeltsten Abwassersysteme in ganz Sdoom.« Als Hippolit fragend die Brauen hob, fuhr er fort: »Schon bei der Planung dieser Stadt war klar, dass sie einzig einem Zweck dienen würde: der Beseitigung von Toten. Daher entwarf Meister Derckh, der von König Verhindar beauftragte Architekt, die Stadt so, dass die Entsorgung etwaiger, nun … Abfälle zu keinem Zeitpunkt ein Problem darstellen würde. Damals konnte noch niemand sicher sagen, ob die Konservierung Abertausender Leichname mithilfe kollektiver Stasis reibungslos funktionieren würde. Es bestand die Gefahr, dass …«
    Hippolit machte eine ungeduldige Bewegung mit der Hand. »Und deswegen legte man Kanäle an?«
    »Hunderte Meilen Abwasserstollen und unterirdischer Entsorgungsschächte, ja.« Wylfgung nippte erneut an seinem Glas. »Hinzu kommen die sogenannten Katakomben.«
    »Katakomben? Wozu

Weitere Kostenlose Bücher