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Der Orksammler

Der Orksammler

Titel: Der Orksammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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strich sich den Kinnbart. »Sie denken also, Ihr Mann könnte in den Untergrund gegangen sein? Darf ich fragen, wie Sie darauf kommen? Torrlem ist eine Stadt, deren räumliche Ausdehnung in etwa der des alten Zentrums von Nophelet entspricht. Auch wir haben unsere schattigen Gässchen, darüber hinaus manches Viertel, durch das ich nach Anbruch der Dunkelheit nicht ohne Begleitung flanieren würde, wenn Sie verstehen, was ich meine?« Als Hippolit nichts erwiderte, fuhr er fort. »An einem Ort, wo fast ausschließlich Männer leben und arbeiten, ist Prostitution ein wichtiger Faktor. Sie wird nicht nur geduldet, sondern sogar staatlich unterstützt – aus den bekannten Gründen. Und wie stets in solchen Fällen zählen die betroffenen Gegenden nicht zu den vornehmsten unserer Stadt. Ein Krimineller könnte dort spielend …«
    »Ich glaube nicht, dass sich der Mörder unter die Halbwelt Torrlems gemischt hat«, unterbrach Hippolit und fuhr sich mit der Hand über die Stirn, als könnte er so die Dunstschleier des Alkohols aus seinem Schädel vertreiben. »Weil ich nämlich nicht glaube, dass wir nach einem Mann suchen! Zwar können wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht genau sagen, womit wir es zu tun haben, aber die Indizien lassen darauf schließen, dass es sich um etwas höchst Unerfreuliches handelt. Und mit ›unerfreulich‹ meine ich etwas, dem Sie noch weitaus weniger gern nach Einbruch der Dunkelheit begegnen wollten, Meister Wylfgung. Es dürfte folglich auch in Ihrem Sinne sein, dass wir diese Kreatur so bald wie möglich dingfest machen.«
    Der Verwalter erbleichte, griff nach seinem Glas und trank es hastig aus.
    »Ich hätte zwei Bitten an Sie«, fuhr Hippolit fort. »Zum einen wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie uns für die Dauer unserer Untersuchungen eine Unterkunft zur Verfügung stellen könnten. Eine innere Stimme sagt mir, dass sich mein Assistent entgegen seiner Ankündigung bisher nicht darum gekümmert hat …«
    »Nichts einfacher als das«, beteuerte Meister Wylfgung. »Ich werde sofort Anweisung geben, Ihnen zwei Zimmer im städtischen Gästehaus zurechtzumachen.«
    »Zum anderen würde ich gern Einblick in die erwähnten Pläne des unterirdischen Teils der Stadt nehmen, mir Abschriften oder fothaumatographische Kopien anfertigen.«
    Sein Gegenüber nickte erneut, langsamer diesmal. »Ich verstehe. Es gibt da allerdings ein kleines Problem: Der Zugang zum Archiv ist laut einer Verordnung von 2999 ausschließlich Angehörigen der Verwaltung sowie städtischen Beamten gestattet.«
    »Wie meinen?«
    »Es gab wohl einst eine Ausnahmeregelung – Paragraph 277/3, den sogenannten ›Behindertenpassus‹. Natürlich hatte er nichts zu tun mit gewissen körperlichen …«
    Hippolit ließ seine Hand auf die Tischplatte fallen. »Noch mal, zum Mitschreiben: Sie sagen, ich dürfe nicht in Ihr dämliches Archiv?« Innerlich versetzte er sich einen herben Fußtritt. Es war im Grunde absehbar gewesen – Wylfgung war trotz seines alkoholhaltigen antialkoholischen Portweins nur ein steifärschiger Paragraphenreiterl Warum begriffen die Leute nie, dass er das IAIT war? Er durfte alles! Er würde seinen Willen bekommen, das stand außer Frage. Allein der Gedanke an die Zeit, die es kosten würde, dies klarzustellen, verursachte ihm Magengrimmen. Bis Aberdutzende behördliche Wortwürfe übermittelt und alle erforderlichen Dokumente zugestellt wären, konnte es zu neuen Morden kommen. Der Täter würde kaum …
    Meister Wylfgung hob lächelnd die Hände. »Das habe ich nicht gesagt, Meister Hippolit. Ich fürchte lediglich, es wird unumgänglich sein, die Regeln einmal mehr ein wenig zu beugen, wenn Sie verstehen, was ich meine?«
    »Als Vertreter des IAIT verfüge ich über mannigfache Sonderbefugnisse«, rief ihm Hippolit ins Gedächtnis.
    »Oh, die werden wir nicht benötigen.« Wylfgungs Lächeln verbreiterte sich, und er füllte sein Glas von Neuem mit Portwein. »Laut Satzung dürfen allein städtische Beamte das Archiv betreten. Glücklicherweise steht nirgends geschrieben, wen der Oberste Verwalter in den städtischen Dienst erheben darf und wen nicht.« Er öffnete eine Schublade, holte ein Stück Pergament heraus, schnappte sich eine Feder und begann zu schreiben.
    »Sie meinen, Sie wollen mich …?«
    »Weiterhin wäre es mir laut Paragraph 277/5 nicht gestattet, einem Externen bei irgendwelchen Nachforschungen im Stadtarchiv aktiv behilflich zu sein«, fuhr Meister Wylfgung fort, ohne

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