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Der Orksammler

Der Orksammler

Titel: Der Orksammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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das, was er möglicherweise in diesem Augenblick verfolgte, ließ Hippolit den kalten Schweiß auf die Stirn treten.
    Er fuhr herum und hetzte zum Tunneleingang zurück, dicht gefolgt von dem Glutglobulus. Als er die Reihe steinerner Urnen erreichte, setzte er zu einem linkischen Hopser an, um keine davon umzuwerfen.
    Mitten im Sprung, mit dem leuchtenden Ball über seiner Schulter, gewahrte er plötzlich ein verhaltenes Glitzern im Innern einer Vase. Offenbar war ihr Boden von einer Flüssigkeit bedeckt, nicht sehr hoch, sonst wäre es ihm vorher schon aufgefallen, schlechte Beleuchtung hin oder her.
    Unelegant landete er wieder auf dem Boden und eilte weiter.
    Er hatte die Tunnelmündung schon erreicht, als ihm klar wurde, dass er noch etwas im Innern der Urne gesehen hatte. Etwas Festes, Rundes, das ebenfalls feucht geglitzert hatte … Egal, er musste weiter!
    Während er die kurze Passage entlanghetzte, spürte er, wie etwas in seinem Gedächtnis darum rang, an die Oberfläche steigen zu dürfen. Ein Sarkophag, wie man ihn zur Bestattung von Toten verwendete … ein Kreis von exakt zwölf irdenen Krügen, alle mit flüssigem und feststofflichem Inhalt … Symbolketten aus arkanen Schriftzeichen, die er nicht kannte … oder vielleicht doch?
    Schwer atmend erreichte er die Kreuzung. Von rechts war er gekommen, dort lag das Treppenhaus. Blieben die Wege geradeaus und links.
    Ratlos blieb er stehen.
    Behema!, wisperte unvermittelt eine Stimme hinter seiner Stirn. Hippolit erkannte sie sofort, hatte sie ihm doch erst kürzlich etwas zugeflüstert, gegen Ende seines Beisammenseins mit der hübschen Lith. Sie gehörte seinem alten Mentor, Meister Merthin.
    Doch er kam nicht dazu, darüber nachzudenken, worauf ihn sein lange verstorbener Lehrer wohl aufmerksam machen wollte.
    Denn in diesem Augenblick ging die Welt unter.
    Aus der Tunnelöffnung zu seiner Linken drang ein urtümlicher, grollender Laut, als würde sich die Erde auftun, um Unmassen glutheißer Lava auszuspeien. Dem folgte ein prasselndes Stakkato wie von Abertausenden kleiner Hämmer, die rasend auf eine unnachgiebige Oberfläche prallten, ein Gewitter harter, klappernder Schläge.
    Und dann, als das Getöse seinen Höhepunkt erreichte, ertönte der grässlichste Laut von allen: ein gedämpfter Schrei, bebend und von einer einzigen, alles dominierenden Emotion gespeist: Todesangst.
    Jorge!
    Ohne zu zögern, sprintete Hippolit durch die linke Tunnelöffnung.

27
     
     
    Jorge rannte geduckt, mit eingezogenem Kopf, um nicht ständig mit dem Scheitel gegen die niedrige, gewölbte Steindecke zu prallen. In seinem Mund schmeckte es nach Eisen und Staub. Er gab sich alle Mühe, kein Geräusch zu machen, aber das war auf dem geröllübersäten Untergrund ein Ding der Unmöglichkeit -alle paar Schritte rutschte er aus, krachte mit den Ellenbogen gegen schartige Wände und schabte mit seiner Lederkluft über spitzes, vorstehendes Gestein.
    Der Stollen schien sich endlos hinzuziehen. Noch konnte Jorge im diesigen Schimmer der Kristalle an den Wänden genug erkennen, um sich nicht alle paar Schritte auf die Nase zu legen. Aber er wollte lieber nicht daran denken, was passieren würde, wenn der sonderbare Bewuchs spärlicher wurde oder gar ganz verschwand! In der ewigen Dunkelheit mochte es Wesen geben, die mit der Finsternis lebten, Wesen mit riesigen Augen, die ohne Licht sehen konnten, wohin ein schwerfälliger Troll stolperte.
    Jorge folgte dem Tunnel um eine scharfe Kurve. Unmittelbar dahinter wurde die Decke nochmals niedriger, der Gang schmaler, bis er kaum mehr die Ausmaße eines von Zwergen angelegten Bergwerksstollens aufwies. Jorge konnte sich nur noch tief gebückt vorwärtsbewegen. Von der Decke tröpfelte Feuchtigkeit. Die Luft war dick wie Schlamm, sonderbare, giftig riechende Dämpfe stiegen Jorge in die Nase. Seine Augen tränten. Er spuckte aus.
    Er musste an den Schatten denken, dem er früher in der Nacht begegnet war, dieses riesenhafte, unförmige Wesen, das so schnell an der Mündung der Gasse vorbeigehuscht war, dass er es kaum hatte erkennen können.
    Ein fleischgewordener Schatten, das war sein Gedanke gewesen.
    Der Schatten, dem er jetzt folgte, war deutlich kleiner. Er bewegte sich flink, sicher, aber nicht mit derart übernatürlicher Geschwindigkeit. Vielmehr schien er etwas beinahe Graziles an sich gehabt zu haben, als er sich aus dem Zwielicht der Tunnelmündung gelöst hatte und davongelaufen war. Das war zumindest Jorges Eindruck

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