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Der Orksammler

Der Orksammler

Titel: Der Orksammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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existierte keine thaumaturgische Praktik, die ihn befähigt hätte, den von Jorge eingeschlagenen Weg sichtbar zu machen. Und für eine erneute Durchführung der Fraderuk’schen Variante einer Signaturprüfung, die ihm zumindest die thaumaturgischen Fußabdrücke ihres geheimnisvollen Widersachers hätte zeigen können, fehlte ihm neben den notwendigen Hilfsmitteln vor allem eines: Zeit.
    Zähneknirschend ließ Hippolit seine Intuition entscheiden. Er wandte sich nach links und rannte los.
    Bereits wenige Dutzend Schritte später stellte sich heraus, dass er die fasche Wahl getroffen hatte. Was er am Ende der kurzen Passage vorfand, war dennoch verblüffend.
    Der Stollen erweiterte sich zu einem kleinen, unregelmäßig geformten Gewölbe. Wie der Gang schien auch dieser Hohlraum mit roher Gewalt aus dem Fels gebrochen worden zu sein. Hippolit ließ den Glutglobulus zur Decke emporsteigen, die kaum höher war als die eines normalen Zimmers, und sah sich um.
    Im Zentrum des Raumes stand etwas, das wie ein länglicher Kasten aus massivem Stein aussah. Ringsherum waren mehrere kleinere Gegenstände angeordnet, ungefähr zehn oder zwölf, in einem exakten Kreis. Auf der gegenüberhegenden Seite führte ein zweiter Tunnel tiefer ins Gestein.
    Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung war Hippolit sogleich klar, dass die Aufbauten einer thaumaturgischen Absicht dienen mussten. Instinktiv reihte er einige kehlige Silben aneinander, die Befehlszeile einer simplen Signaturprüfung. Sollte jemand diesen Raum in jüngerer Vergangenheit mit einer unsichtbaren Schutzvorrichtung belegt haben, beispielsweise einer selbstauslösenden Partiellen Nacht oder einem durch Druck auf eine bestimmte Stelle des Bodens aktivierten Messerregen, würde ihm die damit einhergegangene Freisetzung thaumaturgischer Energie binnen weniger Augenbücke angezeigt werden.
    Nichts geschah.
    Erleichtert trat Hippolit aus der Mündung des Tunnels. Niemand hatte in diesem Raum Thaumaturgie gewirkt, zumindest nicht in den letzten Tagen, so viel war jetzt klar. Um so rätselhafter schienen die kreisförmig angeordneten Gegenstände, die eindeutig auf einen rituellen Verwendungszweck hinzudeuten schienen.
    Als er das Rund kleiner Gegenstände erreichte, ging er in die Hocke. Er zählte zwölf identische, urnenartige Gefäße, jedes ungefähr so groß wie der Schädel eines Trolls und oben offen. Sie schienen aus Ton oder Keramik zu bestehen und wiesen an der Außenseite filigrane Gravuren auf, umlaufende Muster, die zusätzlich in verschiedenen Farben bemalt oder lasiert waren und sich auf keinem der Gefäße zu wiederholen schienen.
    Hippolit kniff die Augen zusammen und untersuchte die Details. Es handelte sich nicht um Schriftzeichen aus der Alten Sprache, in der sämtliche bekannten thaumaturgischen Formeln dargestellt wurden. Auch erkannte er keines der übrigen Runenalphabete, derer er mächtig war. Dennoch berührten die Muster vage etwas in ihm – etwas, das tief in seiner Erinnerung vergraben lag. Hatte er diese geometrisch anmutenden Gebilde schon einmal gesehen? Und wenn ja, wozu dienten sie? Wer hatte die Vasen hier aufgestellt und wozu?
    Verwirrt erhob er sich und ging auf den Kasten in der Mitte des Runds zu. Als er sich dem Gebilde bis auf wenige Schritte genähert hatte, traf ihn die Erkenntnis mit plötzlicher Klarheit: Es handelte sich um einen Sarkophag! Schmucklos und krude, ohne jegliches künstlerisches Verständnis aus einem massiven Block grauen Vulkangesteins gehauen, aber eindeutig eine Totenkiste mit einer Steinplatte als Deckel, der die Öffnung exakt, fast fugenlos verschloss.
    Probehalber berührte Hippolit die oberarmdicke Platte mit der Hand. Sie lag plan auf, rauer Stein auf rauem Stein, und wie er erwartet hatte, war sie viel zu schwer, um sich nur einen Fingerbreit bewegen zu lassen. Was immer sich im Innern befand, er würde mit Jorge wiederkommen müssen, um den Deckel zu entfernen und einen Blick hineinzuwerfen.
    Jorge! Beim Gedanken an seinen Freund richteten sich die Härchen in seinem Nacken abrupt auf. Wie kam er dazu, hier sinnlos Zeit zu verschwenden? Der Unbekannte und Jorge waren nicht durch diese Kammer gekommen, das lag auf der Hand. Andernfalls hätte zumindest Jorge einige der Gefäße über den Haufen gerannt, und sie lägen nun zerschmettert am Boden.
    Er musste zurück zur Kreuzung und einen der anderen Wege einschlagen, und zwar schnell! Jorge mochte ein Koloss sein und hart im Nehmen, doch der Gedanke an

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