Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Orksammler

Der Orksammler

Titel: Der Orksammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
Vom Netzwerk:
gewesen.
    Er umrundete eine weitere Biegung – und blieb überrascht stehen.
    Etwa drei Dutzend Schritte vor ihm endete der Stollen an einem Spalt, einer Engstelle im Fels, gerade breit genug für einen Halbwüchsigen. Ein eigenartiger grünlicher Schimmer drang aus der Öffnung hervor.
    Und inmitten des grünen Schimmers bewegte sich etwas! Jorge kniff die Augen zusammen und erkannte ein schlankes, dunkel gekleidetes Bein, das in der Öffnung verschwand. Dann war da nichts mehr, nur ungesundes Dämmerlicht.
    »Blaak!« Wieder spuckte er aus, dann setzte er sich in Bewegung, auf den Durchgang zu. »Das darf doch nicht wahr sein! Da passt ein Troll im Leben nicht durch!«
    Pompom streckte die Schnauze aus seiner Brusttasche und quiekte fragend.
    »Du bleibst mal am besten, wo du bist. Hier draußen willst du im Augenblick nicht sein, glaub mir. Außerdem fürchte ich, dass wir dieses grüne Leuchten erkunden müssen … woher auch immer es rührt.«
    Weisungsgemäß zog sich Pompom in die Tiefen von Jorges Kleidung zurück.
    Der Spalt war in der Tat sehr schmal. Jorge quetschte sich seitlich hinein. Sein Rücken und sein Bauch schabten über mit glitschigen Kristallen und Flechten überzogenen Stein. Etwas Weiches geriet ihm in den Mund. Erst als er es angewidert herunterschluckte, spürte er, dass sich das Etwas in seiner Kehle bewegte.
    »Pass bloß auf, dass ich dich nicht zerquetsche, Pompom!«
    Die Passage wurde schmaler. Jorge hielt inne, um Atem zu schöpfen. »Bei Batardos«, flüsterte er. »Freundchen, hast du dir wirklich genau überlegt, was du hier gerade machst?« Er neigte zu Selbstgesprächen, wenn er sich unwohl fühlte.
    Was würde passieren, wenn er in einen Hinterhalt geriet? M.H. würde ihn hier kaum finden, er wüsste nicht einmal, in welche Richtung er sich an der Kreuzung gewandt hatte. Wie lange rannte er jetzt schon durch diese unterirdischen Gefilde? Eine halbe Ewigkeit! Bestimmt hatte er sich längst meilenweit von seinem Ausgangspunkt entfernt.
    Es gab ein altes Trollsprichwort, und es ging so: Auf einfachem Wege schickt man nur die Schwachen. In seiner jetzigen Situation fand er das nicht sonderlich tröstend.
    Er schob sich weiter. Nach einigen Schritten erweiterte sich der Durchgang endlich wieder, die Wände wichen zurück. Vorsichtig trat er hinaus in das grüne Leuchten.
    »Bei Batardos!«, hauchte er und stützte sich an der glitschigen Wand in seinem Rücken ab.
    In seinem ganzen Leben hatte Jorge noch nie eine vergleichbare Grotte erblickt. Die Decke des Hohlraums war höher als die des Thronsaals von Königin Lislott IL, den er einst hatte besuchen dürfen. Höher als die höchsten Gebäude Nophelets, ja: höher als die östlichen Ausläufer des nesnilinischen Gebirges. Zumindest schien es ihm so.
    Jorge musste den Kopf in den Nacken legen, um bis ganz nach oben spähen zu können. Schwindelerregend weit über ihm wuchsen lange Tropfsteine aus der Decke wie Zähne eines gigantischen Ungeheuers. Manche davon reichten bis dicht an den Höhlenboden heran. Das allgegenwärtige giftgrüne Leuchten ging von einem schmierigen Belag an der Decke aus, wahrscheinlich einer Art Moos.
    Doch es war nicht allein die Größe des Gewölbes, die Jorge verstörte.
    »Bei Batardos!«, wiederholte er und krallte sich an einen porösen Felsbrocken, der auf einem kleinen Vorsprung zu seiner Linken lag. Seine Finger verschwanden in runden Vertiefungen.
    In der Mitte der Höhle hatte jemand einen unvorstellbaren Berg aufgetürmt. Im ersten Moment dachte Jorge, es handele sich um einen gigantischen Haufen Holz – Aste, Stöcke, Kanthölzer unterschiedlicher Länge und Dicke. Der Haufen reichte an seiner höchsten Stelle beinahe bis zur Decke empor, seine Grundfläche nahm gewiss mehr als einen Häuserblock ein. Es musste Jahrzehnte gedauert haben, ihn so hoch aufzustapeln.
    Jorge begann zu schwitzen, als ihm sein Irrtum bewusst wurde.
    Der Hügel bestand nicht aus Holz.
    Er bestand aus menschlichen Knochen.
    »Pompom? Kannst du mir mal erklären, was hier gespielt wird?«
    Jorge spürte Pompoms zitternden Körper unter seiner Kluft. Behutsam tätschelte er die Vulvatte durch das dicke schwarze Leder.
    Myriaden von Knochen glommen im giftigen Schimmer des leuchtenden Mooses. Jorge sah gebrochene Bein- und Hüftknochen. Unzählige Rippenbögen, zum Teil noch zusammenhängend, Hunderte eingedrückter Brustkörbe bildend. Und Schädel! Unzählige, Abertausende von Schädeln, mit aufgerissenen Mündern,

Weitere Kostenlose Bücher