Der Osmanische Staat 1300-1922
der osmanischen Verfassungsgeschichte gestellt. Tatsächlich ist es das Ergebnis eines Interessenausgleiches zwischen Staatsführung und den „Talfürsten" Rumeliens und Anatoliens.
Der griechische
Aufstand
Die griechische Bevölkerung hatte sich in der Vergangenheit nur selten gegen die
osmanische Oberherrschaft erhoben (wie bei den Revolten in Epiros 1611 oder
1802/3). Noch 1798 hatte der Patriarch von Jerusalem Anthimos die Christen vor
einer Herausforderung der bestehenden Ordnung gewarnt. Gott habe das Osmanische Reich geschaffen, um die Orthodoxie vor der Beschmutzung duch die Katholiken zu bewahren. Im selben Jahr aber wurde der griechische Dichter und
Revolutionär Rigas Velestinis in Belgrad nach seiner Auslieferung durch
Osterreich hingerichtet. In Velestinis Schriften überwog allerdings eine aufklärische Tendenz. die sich an alle Balkanvölker wandte, gegenüber protonationalen" griechische Forderungen. Erst die Bildung der Philiki Etairia
(Odessa 1814) führte zu einer organisierten Abfallbewegung, die mit der Entstehung der bayerischen Regentschaft unter Graf Armannsperg (1833-1835) ein
vorläufiges Ende fand. 1821 wurde der ökumenische Patriarch, obwohl er die
Revolution Alexander Ipsilantis (1792-1828) verurteilte, in Istanbul gehängt. Ein
Aufstand von griechischen Inselbewohnern wurde mit dem bekannten „Massaker
von Chios" (1822) niedergeworfen. Mahmüd II. hielt Tepedelenli Ali Pascha, der
Ioannina/Janina als Residenz ausgebaut hatte, für die größere Bedrohung als die
Aufständischen in Südgriechenland, die er erst nach der Exekution des Paschas
(1822) stärker bekämpfte. Der Einsatz der modernisierten ägyptischen Truppen
führte 1826 mit dem symbolreichen Fall von Missolunghi zum militärischen Ende
des griechischen Unabhängigkeitskrieges. Mahmüd II. entledigte sich wenige
Wochen später (14./15. 6.) in einer blutigen Aktion der in Istanbul liegenden
Janitscharenregimenter. Seine neu aufgestellte Truppe (Mu'allem Asäkir-i Muhammediye-i Mansüre) erreichte aber 1828 erst 30 000 Mann (Ägypten verfügte
hingegen im gleichen Jahr über 157000). Gegen Ende seiner Regierung stieg die
Zahl auf ca. 90000 Mann an. Obwohl die Großmächte auf die Integrität des
Osmanischen Staates setzen, lösten die Kanonenschüsse von Navarino (1827)
den gordischen Knoten der griechischen Frage. 1832 erkannte der Sultan Griechenland als unabhängiges Königreich an. 1835 wurde der bayerische Prinz Otto
als König von Hellas eingesetzt (bis 1862). Bis zu den Balkankriegen (1912/13)
sollte vor allem die Kreta-Frage die türkisch-griechischen Beziehungen bestimmen und belasten. Ottos Nachfolger Georg I. führte den verfassungsgemäßen Titel „König der Hellenen", womit ein Anspruch auf die Herrschaft über alle Griechen, also auch die außerhalb der Staatsgrenzen, erhoben war.
Auflösung des Janitscharenkorps
Die russische Offensive vom Mai 1828 hatte die Osmanen zum Abzug ihrer
Truppen aus Griechenland gezwungen. Sie verloren das Donaudelta und die
südkaukasische Provinz von Akhiska an Rußland (Friede von Edirne/Adrianopel 1829). Erfolglos blieb der Versuch Mahmüd II., die französische Besetzung von Algier (1830) abzuwenden.
Mehmed All und
Ägypten
Mit der Machtübernahme von Mehmed/Muhammad Ali in Ägypten wuchs
einem abtrünnigen Pascha zum ersten Mal ein Herrschaftsgebiet zu, dessen
Ressourcen zum Aufbau einer ebenbürtigen Militärmacht genügten. Der in
Kavala (Ostmazedonien) geborene, vielleicht albanischstämmige Mehmed Ali
entledigte sich der Mamluken (1811) und baute seine Armee mit Hilfe französischer Instrukteure auf. Zur Finanzierung dieser Militärmacht monopolisierte er
die gesamte ägyptische Wirtschaft. Im Auftrag der Pforte bekämpfte er die
Wahhabiten in Arabien und die griechischen Aufständischen auf der Pelo ponnes. 1820-1823 eroberte er bzw. sein Sohn Ibrähim Pascha den Sudan. Die
direkte osmanische Herrschaft im Irak und in Teilen der arabischen Halbinsel
wurde 1831 wiederhergestellt. Ein Vormarsch Ibrähim Paschas, der im Auftrag
seines Vaters ägyptische Truppen bis zum westanatolische Kütahya (Februar 1833)
führte, wurde durch englische und französische Intervention abgebrochen. Die
Ägypter hatten den Versuch unternommen, zunächst durch die Besetzung von
Akkon, dann von ganz Syrien und Kilikien einen Ersatz für die Belohnung zu
bekommen, die Istanbul für die Griechenlandexpedition versprochen hatte. Rußland und der
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