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Der Osmanische Staat 1300-1922

Der Osmanische Staat 1300-1922

Titel: Der Osmanische Staat 1300-1922 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kreiser
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Versuche, Turkmenen in der nordsyrischen Steppe und anderswo im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts seßhaft
zu machen, schlugen weitgehend fehl, was das Vorrücken arabischer Beduinen
erleichterte. Die Kurden verbreiteten sich in den osmanischen Jahrhunderten
ebenfalls stark von ihren Ursprungsräumen am Rande des Fruchtbaren Halbmonds nach Norden und Westen. Die Zentrale hatte mehr als eine Begründung für
ihre antinomadische Politik: Wandernde Stämme waren immer ein Ärgernis für die
ansässige bäuerliche Bevölkerung, die Ansiedlung von Nomaden in Wüstungen
und auf Neuland erhöhte das Steueraufkommen. Häufig wurden unbotmäßige
Stämme gewaltsam umgesetzt (etwa zwischen 1712 und 1741 nach Zypern). Die
bekannteste „Befriedungsaktion" war die Seßhaftmachung von Turkmenen in der
(~ukurova um 1863/65. Man vermutet, daß ein im ostanatolischen Hochplateau
durch die Auflösung turkmenischer Konföderationen und die Emigration
schiitischer Gruppen nach Iran entstandenes Vakuum durch die Ansiedlung und
steuerliche Privilegierung von Kurden gefüllt wurde.
    Bauern
    Das von INALCIK als fifthäne bezeichnete klassische Agrarregime stützte sich
auf unveräußerliche, vererbbare Bauernstellen. Die überwiegend klein- und
mittelbäuerliche Struktur des heutigen Anatolien wird als Beleg für die Stabilität des alten Systems angeführt. Auch die Oberführung des Landes in eine Stiftung
(vakf) war ausgeschlossen. Der Bauer bearbeitete mit seinen Zugtieren, Pflügen
und Saatgut im Rahmen der auferlegten Abgaben an den Timarioten sein eigenes
Stück Land. Ein Bauerngut (~iftlik) war je nach Ertrag 70-150 dönüm (1 dönüm =
919,30 m2) groß. Sein Inhaber hatte ein Eigentumsrecht auf Immobilien wie
Gemüsebeete, Weingärten und Obstbäume. Der Bauer zahlte 22-57 akfe Steuern. Weitere Abgaben lagen auf Feld- und Gartenfrüchten, Honig, Vieh usw. nach
den Vorschriften der Provinzgesetzgebung. Wenn ein Bauer über die notwendige
Brache hinaus das Land nicht bestellte, war eine Sondersteuer (fiftbozan) fällig.
Manche Gruppen genossen gewisse Privilegien, etwa die von Steuern befreiten
müsellem, die als Fußsoldaten (yaya) oder Berittene (süväri) eine Art Reserve
bildeten. Andere Kategorien, wie deaktivierte Sipähis (dü§mü£) und religiöse
Amtsträger, waren ganz von Agrarabgaben befreit. Der kanonische (d. h. islamisch sanktionierte) „Zehnte" (öjür) auf Feldfrüchte war bis zum Zusammenbruch des osmanischen Systems die wichtigste Steuerquelle. Ihr Nutznießer
war in der Regel der Inhaber eines timars. In Teilen Anatoliens herrschte ein
anderes Steuersystem vor. Dieses sogenannte mälikäne-diväni-System war durch
die Aufteilung von Eigentumsrechten zwischen privaten Eigentümern und
staatlichen Ansprüchen charakterisiert. In den letzten Jahrhunderten zahlten die
Bauern den Zehnten an Steuerpächter, die zum größten Teil lokale Notabeln
waren. Unter dem ö;ür kann je nach Provinz eine Naturalabgabe, die über (1/8,
in Extremfällen 1/3) oder exakt bei 10 Prozent lag, verstanden werden.

    Moderne Agrarwirtschaft
    Im 19. Jahrhundert wurde mit der Einrichtung der Landwirtschaftsbank (Ziraat
Bankas: 1888) ein modernes System des Agrarkredits eingeführt. Um 1870 wurden
die ersten Studenten an europäische Hochschulen geschickt. Unter Abdülhamid II. entstanden Agrarschulen in Istanbul-Halkali, Saloniki und Bursa sowie zahlreiche Mustergüter. Bis zum Ende des osmanischen Staates gilt eine
dreifache Abhängigkeit von der Landwirtschaft: 1) der überwiegende Teil der
Bevölkerung (75-80%) bestand aus Bauern; 2) indirekte und direkte Agrarsteuern
waren die Haupteinnahme des Staates; 3) die Exporte bestanden fast ausschließlich
aus Agrarprodukten wie Baumwolle, Tabak, Getreide und Trockenfrüchten
(Rosinen).

    1. EINBLICKE IN DIE GEISTIGE KULTUR DER OSMANEN
    1. SPRACHE UND LITERATUR
    Osmanisch
    Karamanli
    Die Schriftsprache der Osmanen, für die Türki bzw. TürkCe als Eigenbezeichnung
in früheren Jahrhunderten durchaus vorkam, hat sich aus älteren anatolischen
Literaturidiomen entwickelt. Schon im vorosmanischen Anatolien wurde Türkisch gelegentlich für religiös-ethische und sogar naturwissenschaftlich-medizinische Abhandlungen verwendet. Zwar wurde Türkisch weder in den Elementarschulen noch auf der Medrese gelehrt und blieb aus der Ritualpredigt am
Freitag verbannt, doch setzte es sich um die Mitte des 16. Jahrhunderts weitgehend
im öffentlichen Leben durch.

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