Der Osmanische Staat 1300-1922
der
Osmanen und ihre Werke" [76], von dem nur eine Übersetzung in eine andere
Sprache exisistert (ins Türkische, unzureichend). In seinem Schatten wurde das
dreibändige biobibliographische Lexikon von BuRSALI MEHMEDTÄHIR „Osmänli
Mü`ellifleri" als Vorläufer nicht ausreichend gewürdigt [107]. Die historiographische Arbeit der letzten Jahrzehnte mündete jedoch bis heute noch
nicht in einen revidierten „Babinger" ein, dessen Verdienst die erste Zusammenführung des spätosmanischen Wissens mit den europäischen Handschriften
und Drucken bleibt. Eine Neuauflage hätte die zahlreichen inzwischen innerhalb
und außerhalb der Türkei veranstalteten Editionen zu berücksichtigen (wie z. B.
von SELANIKI, SARI MEHMED, SEMDÄNI-ZÄDE, VÄSIF, AHMED CEVDET), aber auch
die historiographischen Untersuchungen, nicht zuletzt die Quellenabhängigkeiten klärenden Aufsätze und Einleitungen von Autoren wie MÜNIR
AKTEPE, BEKIR KÜTÜKOGLU, MEHMED IP~IRLI, A. OZCAN und anderen mehr.
Die Lexikonbände „Great Historians from Antiquity to 1800« bzw. „Great
Historians of the Modern Age" (Hg. v. L. Boia, New York 1989, 1991) enthalten
einige gut geschriebene Artikel zu den wichtigsten osmanischen Chronisten.
Ältere Chronistik
Die frühesten osmanischen Chroniken, AHMEDI (ca. 1390), SÜKRULLÄH (ca.
1460) und ENVERi (1465), waren keine selbständigen opera. Sie bildeten Anhänge
zu umfangreicheren Kompendien. Erst in der Zeit Bäyezid II. erscheinen mit den
sogenannten „Anonymen Chroniken" und den Werken des Ä IK PMA-ZÄDE (st.
nach 1484) und ORü~ (ca. 1500) eigenständige Darstellungen. Ä IK PA5A-ZÄDE
war selbst Teilnehmer mehrerer Feldzüge in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Zu seinen Quellen für die Zeit bis 1422 gehört eine als Anonymus
Giese bekannt gewordene Chronik. Der Band „Historians of the Middle East"
[108: B. LEwis u. P. M. HOLT] enthält zwei Beiträge zur frühosmanischen
Chronistik (MENAGE, INALCIK), die bis etwa KEMÄL PA~A-ZÄDE reichen. Diese
Artikel können heute im Lichte der „anti-positivistischen" Untersuchung von
KAFADAR [254] gelesen werden. Eine neue Lektüre einer altosmanischen Quellengruppe, der sogenannten „Erzählungen von der Hagia Sophia", führte bei ST.
YERAsIMos zu interessanten Beobachtungen über den zeitkritischen („antiimperialen") Charakter der Texte [109]. Nur wenige Ausgaben und Unter suchungen von Einzelquellen der ersten zwei Jahrhunderte wurden seitdem
vorgelegt. Beispielhaft herausstellen lassen sich die Chronik der Herrschaft
Mehmed II. durch TURSUN BEG (st. 1499), von der eine textkritische Ausgabe
(von M. TuLUM) und eine englische Übersetzung (INALCIK/MuRPHY) existierten.
KREUTEL [110] verdanken wir eine Anzahl sorgfältiger und lesbarer Übertragungen osmanischer Chronisten ins Deutsche (u. a. des A§iK PAPA-ZÄDE und
des ORU(~ ).
Die Chronistik des
16. Jahrhunderts
Die Beauftragung KFMÄL PAPA-ZÄDES mit einem vielbändigen Geschichtswerk
durch Bäyezid II. markiert den Übergang von den eher volkstümlichen Genres zur
„hohen", auch sprachlich anspruchsvollen Historiographie (ca. 1502). Die Historiographie zur Zeit Süleymän I. hat ÖZCAN erstmals zusammenhängend
dargestellt [111]. Repräsentativ ist der Chronist KoCA NI5SÄNCI CELÄL-ZÄDE,
der über 30 Jahre an Divan-Sitzungen teilgenommen hatte [112: KAPPERT]. Sein
bis 1567 reichendes Werk diente MUSTAFÄ ALi, IBRÄHIM PEg~EVi, SOLAK-ZÄDE,
KARA~ELEBi-ZÄDE und selbstverständlich auch HAMMER-PURGSTALL als Quelle.
Interessant ist der Bauplan des nicht vollständig ausgeführten Opus in 30 Abteilungen (tabakät) und 375 Abschnitte (derecät). KAPPERTS Einführung und
Zusammenfassungen vermitteln eine gute Vorstellung von dem Inhalt. Eine
beispielhafte Studie zeigt, wie nützlich es ist, über die bekannten narrativen
Quellen, wie sie HAMMER-PURGSTALL oder I. H. DANI~MEND herangezogen
haben, hinauszugehen [113: SCHMIDT]. KÖHBACH [114] konnte die Abhängigkeit des PECEVt von der lateinisch verfaßten Chronik Istvänfys über die erste
Belagerung Wiens klären. PE(~EVi gehörte zu den unabhängigsten Köpfen der
Zeit. In seiner v.a. für die Jahre 1603-1640 wichtigen Chronik schreckte er vor
Kritik an einzelnen osmanischen Heerführern nicht zurück. Über den bekanntesten Historiker des späten 16. Jahrhunderts, den „Hoca Efendi"
SA'DEDDiN (1536/7-1599), fehlen jüngere Untersuchungen. Die seinem Schüler
Sultän Muräd III. gewidmete
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