Der Pakt der Liebenden
schaffen. Innerhalb von Minuten hatte er einen Spalt geschaffen, der so groß war, dass er sich das obere Schloss vornehmen konnte. Er schob das Brecheisen so weit hinein, wie er konnte, dann drückte er es schräg nach oben. Von drinnen ertönte ein Knacken, und das Schloss gab nach. Er nahm sich das zweite Schloss vor. Kurz darauf splitterte der Rahmen, und der Riegel brach aus dem Holz.
Mickey blieb auf der Treppe stehen und starrte in die Küche. Hier war es geschehen. Das war der Ort, an dem Parker – Parker der Rächer, Parker der Jäger, Parker der Henker – geboren wurde. Vor dem Tod seiner Frau und Tochter war er nur ein weiteres Gesicht auf der Straße gewesen. Ein Cop, aber kein sehr guter, ein Vater und Ehemann, und auch in dieser Rolle nicht allzu gut, ein Mann, der manchmal trank – nicht genug, um als Alkoholiker zu gelten, noch nicht, aber immerhin so viel, dass er sich in den Jahren, die danach kamen, dabei ertappen sollte, dass er mit dem Alkohol immer ein bisschen früher am Tag anfing, bis er schließlich den Tag damit begann, statt ihn damit zu beenden –, ein Herumtreiber, eine Wesen ohne Sinn und Ziel. Und dann, in einer Dezembernacht, drang eine Kreatur, die als der fahrende Mann bekannt werden sollte, hier ein und brachte die Frau und das Kind um, während der Mann, der sie hätte beschützen sollen, auf einem Barhocker saß und sich selbst bemitleidete.
Diese Morde hatten ihm ein Ziel gesetzt. Zuerst war es Rache, aber darauf folgte etwas Tieferes, etwas Merkwürdigeres. Der Wunsch nach Rache allein hätte ihn zerstört, zerfressen wie Krebs, und selbst wenn er die ersehnte Erleichterung gefunden hätte, hätte die Krankheit bereits seine Seele befallen und allmählich seine Menschlichkeit in Mitleidenschaft bezogen, bis sie, verschrumpelt und verfault, für immer verloren gewesen wäre. Nein, Parker hatte ein höheres Ziel gefunden. Er war ein Mann, der sich nicht so einfach abwenden konnte, wenn andere litten, denn tief in sich fand er sein zweites Ich. Er wurde von Mitgefühl gequält. Und mehr als das, er war zu einem Magneten für das Böse geworden, aber vielleicht sollte man besser sagen, dass ein tief in ihm sitzender Splitter des Bösen in Gegenwart großer Verdorbenheit widerhallte und ihn zu ihm zog – und es zu ihm.
Und all das war in Blut geboren.
Mickey schloss die Tür, schaltete seine Taschenlampe ein und ging durch die Küche, ohne nach links oder rechts zu blicken, ohne etwas davon wahrzunehmen, was er dort sah. Er wollte diesen Raum zuletzt aufsuchen, so wie es der fahrende Mann getan hatte. Er wollte der Spur des Mörders folgen, das Haus mit seinen Augen sehen, und so wie Parker es in dieser Nacht gesehen hatte, als er heimkam und das vorfand, was von seiner Frau und seinem Kind übriggeblieben war.
Der fahrende Mann war durch die Haustür hereingekommen. Es gab keinerlei Hinweise auf ein gewaltsames Eindringen. Der Flur war jetzt leer. Mickey verglich ihn mit dem ersten Foto, das er mitgenommen hatte. Er hatte sie sorgfältig sortiert und auf der Rückseite nummeriert. Auf dem ersten war der Flur so zu sehen, wie er einst gewesen war: ein Bücherregal auf der rechten Seite und eine Garderobe. Neben einem kleinen Mahagonitisch lagen ein zerbrochener Blumentopf und irgendeine Pflanze, deren Wurzeln freigelegt waren. Hinter der Pflanze führte eine Treppe in den ersten Stock. Dort waren drei Schlafzimmer, eines davon kaum größer als eine Abstellkammer, und ein kleines Badezimmer. Mickey wollte noch nicht hinaufgehen. Jennifer Parker, drei Jahre alt, hatte auf der Couch im Wohnzimmer geschlafen, als der Mörder eindrang. Sie hatte ein schwaches Herz, das ihr die Qualen, die noch kommen sollten, ersparte. Zwischen dem Zeitpunkt, zu dem der Mörder hereinkam, und dem Zurschaustellen der Leichen hatte ihr Körper so viel Adrenalin ausgeschüttet, dass es zu einem Herzkammerflimmern führte. Mit anderen Worten: Jennifer Parker war vor Schreck gestorben.
Ihre Mutter hatte nicht so viel Glück gehabt. Es hatte einen Kampf gegeben, vermutlich in der Nähe der Küche. Sie hatte dem Angreifer entrinnen können, aber nur vorübergehend. Er hatte sie im Flur eingeholt, ihr Gesicht an die Wand geschlagen und sie betäubt. Mickey nahm sich das nächste Foto vor: verschmiertes Blut links von ihm an der Wand. Er meinte die Stelle gefunden zu haben und strich mit den Fingern darüber. Dann kniete er sich hin, musterte die Dielen und fuhr mit der Hand über das Holz,
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