Der Pakt der Liebenden
Hause«, sagte Epstein zu Will. Er lächelte, aber seine Worte straften sein Lächeln Lügen, und er schaute Will nicht an, als er sprach. Für einen beiläufigen Betrachter hätte es so ausgesehen, als musterte er die Flaschen hinter der Bar und wollte sich sein Gift auswählen, bevor er sich zu den anderen gesellte. Er trug einen bis zum Hals zugeknöpften Regenmantel und hatte einen braunen Hut mit einer roten Feder im Band auf dem Kopf. Er war sehr gealtert, seit Jimmy ihn bei Caroline Carrs Beerdigung zum letzten Mal gesehen hatte.
»Was ist los?«, fragte Will. »Was ist passiert?«
»Nicht hier«, sagte Epstein, als er von Perrson angerempelt wurde, dem breitschultrigen Schweden, der die Stütze der Kabaretteinheit war. Es war Donnerstagabend und im Cal’s herrschte Hochbetrieb. Perrson, der größer als alle anderen an der Bar war, reichte Schnapsgläser über die Köpfe seiner Hintermänner hinweg und taufte sie manchmal dabei.
»Gott segne dich, mein Sohn«, sagte er, wenn jemand protestierte. Er johlte über seinen eigenen Witz, dann erkannte er Jimmy.
»Hey, das Geburtstagskind!«
Aber Jimmy schob sich bereits an ihm vorbei und folgte einem anderen Mann, und Perrson meinte, es könnte Parker gewesen sein, aber als er später vernommen wurde, behauptete er, er habe sich geirrt oder die Zeit durcheinandergebracht. Er hätte Jimmy auch später gesehen haben können, und Will könnte nicht dabei gewesen sein, denn inzwischen wäre Will schon auf dem Weg nach Pearl River gewesen.
Draußen war es kalt. Die drei Männer hatten die Hände tief in die Taschen gesteckt, als sie vom Cal’s und dem Revier weggingen, von bekannten Gesichtern und forschenden Blicken. Sie blieben erst stehen, als sie an die Ecke St. Mark’s Place kamen.
»Können Sie sich noch an Franklin erinnern?«, sagte Epstein. »Er war der Direktor der Klinik in Gerritsen Beach. Er ist vor zwei Jahren in den Ruhestand gegangen.«
Will nickte. Er erinnerte sich an den besorgt wirkenden Mann in dem kleinen Büro, der an dem Stillhalteabkommen beteiligt war, das er noch immer nicht ganz verstand.
»Er wurde letzte Nacht in seinem Haus getötet. Jemand hat ihn übel mit dem Messer zugerichtet, um ihn zum Reden zu bringen, bevor er starb.«
»Warum glauben Sie, dass das etwas mit uns zu tun hat?«, fragte Will.
»Ein Nachbar sah einen Mann und eine Frau kurz nach elf das Haus verlassen. Beide waren jung, sagte er, allerhöchstens ältere Teenager. Sie fuhren einen roten Ford. Heute Morgen wurde in die Praxis von Dr. Anton Bergman in Pearl River eingebrochen. Dr. Bergman ist Ihr Hausarzt, glaube ich. Ein roter Ford wurde ganz in der Nähe gesehen. Er hatte Nummernschilder aus Alabama. Dr. Bergman und seine Sekretärin versuchen immer noch festzustellen, was entwendet wurde, aber die Schränke mit den Opiaten waren unberührt. Nur die Patientenakten wurden geplündert. Unter den fehlenden Unterlagen sind auch die Ihrer Familie. Irgendwie haben sie die Verbindung hergestellt. Wir haben unsere Spuren nicht so gut verwischt, wie wir dachten.«
Will sah blass aus, doch er versuchte trotzdem zu widersprechen. »Das ist doch Unsinn. Wer sind diese Kids?«
Es dauerte einen Moment, bis Epstein antwortete. »Es sind dieselben, die vor sechzehn Jahren hinter Caroline Carr her waren«, sagte er.
»Nein.« Das war Jimmy Gallagher. »Ä-äh. Die sind tot. Der eine wurde von einem Laster zermalmt, und die andere habe ich erschossen. Ich habe zugesehen, wie man ihre Leiche aus dem Wasser gezogen hat. Und selbst wenn sie überlebt hätte, wäre sie jetzt um die vierzig oder fünfzig. Sie wären keine Kinder.«
Epstein wandte sich an ihn. »Sie sind keine Kinder! Sie sind – etwas viel Älteres. Diese Wesen sterben nicht. Sie können nicht sterben. Sie wandern von einem Wirt zum nächsten. Wenn der Wirt stirbt, suchen sie sich einen anderen. Sie werden ein ums andere Mal wiedergeboren.«
»Sie sind ja verrückt«, sagte Jimmy. »Sie sind nicht bei Sinnen.«
Er wandte sich an seinen Partner und suchte Beistand, aber er bekam keinen. Stattdessen wirkte Will erschrocken.
»Ach Herrgott, du glaubst das doch nicht, oder?«, sagte Jimmy. »Das können nicht dieselben sein. Das ist einfach nicht möglich.«
»Es spielt keine Rolle«, sagte Will. »Sie sind hier, egal, wer sie sind. Franklin hat ihnen vermutlich erzählt, dass der Tod des Kindes ein Vertuschungsmanöver war. Ich habe einen Sohn, der genauso alt ist wie der, der angeblich gestorben ist.
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