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Der Pakt der Liebenden

Der Pakt der Liebenden

Titel: Der Pakt der Liebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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dafür gesorgt, dass ich weit weg bin, wenn es passiert.«
    Santos nickte. »Vermutlich haben Sie recht. Ich weiß, wer Sie sind. Egal, was die Leute über Sie sagen, dumm sind Sie nicht.«
    »Das hört man gern«, sagte ich.
    »Nicht wahr?« Er seufzte. »Ich habe mit ein paar Leuten geredet, bevor ich hergekommen bin. Sie haben gesagt, es wäre nicht Ihre Art.«
    »Haben sie Ihnen gesagt, was meine Art wäre?«
    »Sie haben mir gesagt, dass ich das nicht würde wissen wollen, und ich habe ihnen vertraut, aber sie haben bestätigt, dass es nicht das ist, was man mit Mickey Wallace gemacht hat.«
    Ich wartete.
    »Er wurde mit einem Messer gefoltert«, sagte Santos. »Es war nicht raffiniert, aber es war effektiv. Ich nehme an, dass ihn jemand zum Reden bringen wollte. Sobald er erzählt hat, was er wusste, hat man ihm die Kehle durchgeschnitten.«
    »Und niemand hat irgendwas gehört?«
    »Nein.«
    »Wie wurde er gefunden?«
    »Eine Streife hat gesehen, dass das seitliche Tor zum Haus offen war. Der Kollege in Uniform ist nach hinten gegangen und hat Licht in der Küche gesehen. Eine kleine Taschenlampe, vermutlich Wallaces, aber wir lassen sie auf Fingerabdrücke überprüfen, nur für den Fall.«
    »Und wie geht’s weiter?«
    »Haben Sie Zeit?«
    »Jetzt gleich?«
    »Nein, in ein paar Tagen, für einen Termin. Was zum Teufel denken Sie denn?«
    »Ich bin hier fertig«, sagte ich. War ich natürlich nicht. Wenn wir nicht gestört worden wären, wäre ich bei Jimmy geblieben, in der Hoffnung, am nächsten Morgen in aller Frühe sämtliche weiteren Einzelheiten aus ihm herauszuquetschen, sobald ich all das verdaut hätte, was er mir erzählt hatte. Vielleicht hätte ich ihn sogar noch einmal alles durchgehen lassen, nur um sicher zu sein, dass er nichts ausgelassen hatte, aber Jimmy war müde. Er war ein Mann, der den ganzen Abend lang nicht nur seine Sünden gebeichtet hatte, sondern auch die Sünden anderer. Er musste schlafen.
    Ich wusste, worum Santos mich bitten wollte, und mir war auch klar, dass ich ja sagen musste, egal, wie sehr es mich schmerzte.
    »Ich würde Sie gern einen Blick in das Haus werfen lassen«, sagte Santos. »Die Leiche ist weg, aber ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
    »Was?«
    »Nur einen kurzen Blick, okay?«
    Ich willigte ein. Ich erklärte Jimmy, dass ich wahrscheinlich im Laufe der nächsten paar Tage zurückkommen und noch mal mit ihm sprechen würde, worauf er sagte, dass er hier sei. Ich hätte mich bei ihm bedanken sollen, machte es aber nicht. Er hatte mir zu lange zu viel vorenthalten. Als wir gingen, stand er auf der Veranda und schaute uns hinterher. Ich hob die Hand zum Abschiedsgruß, aber er reagierte nicht darauf.
    Ich war seit Jahren nicht mehr an der Hobart Street gewesen, nachdem ich die Habseligkeiten meiner Familie ausgeräumt, diejenigen aussortiert hatte, die ich behalten wollte, und die anderen weggeworfen hatte. Ich glaube, das war eine der schwersten Aufgaben, die ich je erledigen musste, dieser Dienst an den Toten. Bei jedem Gegenstand, den ich beiseitelegte – ein Kleid, ein Hut, eine Puppe, ein Spielzeug –, kam es mir so vor, als beginge ich einen Verrat an ihrem Andenken. Ich hätte alles behalten sollen, denn das waren Sachen, die sie berührt und gehalten hatten, und irgendetwas von ihnen wohnte diesen vertrauten Gegenständen inne, die jetzt durch ihren Verlust fremd geworden waren. Ich brauchte drei Tage. Selbst jetzt kann ich mich noch entsinnen, dass ich eine Stunde lang mit Susans Haarbürste auf der Kante unseres Bettes saß und die Haare streichelte, die sich in den Borsten verfangen hatten. Sollte ich sie ebenfalls wegwerfen oder behalten, so wie den Lippenstift oder das Rouge, auf dem sich ein Fingerabdruck von ihr befand, und das nicht abgespülte Weinglas, auf dem Spuren ihrer Hände und ihres Mundes waren? Was sollte aufbewahrt werden und was vergessen? Letzten Endes behielt ich vielleicht zu viel, oder nicht genug. Zu viel, um sie wirklich gehen zu lassen, zu wenig, um mich gänzlich in der Erinnerung an sie zu verlieren.
    »Ist alles okay?«, fragte Santos, als wir am Tor standen.
    »Nein«, sagte ich. Ich sah Fernsehkameras und Blitzlichter, die vor meinen Augen explodierten und rote Punkte hinterließen. Ich sah Streifenwagen und Männer in Uniform. Und ich war wieder in einer anderen Zeit, als mein Knie aufgeschlagen und meine Hose zerrissen war, als ich den Kopf in die Hände gestützt hatte und das Bild der Toten in meine Retina

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