Der Pakt der Liebenden
kann. Irgendwann bricht jeder zusammen.
»Alles, was er konnte, damit es aufhört«, sagte ich. »Wie ist er gestorben?«
»Er ist erstickt. Man hat ihm eine Weinflasche in den Mund gestoßen, mit dem Hals voraus. Das dürfte der Ansicht, dass es sich um einen Mord aus Hass handelt, mehr Gewicht verleihen. Es war, wie sagt man dazu, phallisch, oder jedenfalls wird es darauf hinauslaufen.«
Es war rachsüchtig, erniedrigend. Ein ehrenhafter Mann war nackt und gefesselt liegen gelassen worden, mit einer Inschrift am Rücken, die ihn unter seinen Kollegen brandmarken und Schatten auf die Erinnerung an einen Menschen werfen würde, den sie gekannt hatten. Meiner Meinung nach ging es gar nicht darum, was Jimmy gewusst hatte oder nicht. Er war bestraft worden, weil er geschwiegen hatte, und nichts, was er hätte sagen können, hätte ihm das erspart, was danach kam.
Santos nickte dem Assistenten zu. Gemeinsam drehten sie Jimmy wieder auf den Rücken, deckten sein Gesicht zu und brachten ihn dann zu den anderen nummerierten Toten. Die Tür wurde hinter ihm geschlossen, und wir gingen.
Draußen zündete sich Santos eine weitere Zigarette an. Er bot Travis eine an, worauf der sich bediente.
»Wissen Sie«, sagte er, »wenn Sie recht haben und es nicht um Hass ging, dann ist er wegen Ihnen gestorben. Was verschweigen Sie uns?«
Was spielte das für eine Rolle? Die ganze Sache neigte sich dem Ende zu.
»Nehmen Sie sich die Akten über die tödlichen Schüsse in Pearl River vor«, sagte ich. »Der Junge, der gestorben ist, hatte ein Zeichen am Unterarm. Es sah aus, als wäre es in die Haut gebrannt worden. Es ist das gleiche Zeichen wie das, das man an der Küchenwand an der Hobart Street gefunden hat, wo es mit Wallaces Blut gemalt wurde. Ich nehme an, dass Sie irgendwo in Jimmys Haus ein ähnliches Zeichen finden werden.«
Travis und Santos warfen sich einen kurzen Blick zu.
»Wo war es?«, fragte ich.
»An seiner Brust«, sagte Santos. »Mit Blut geschrieben. Man hat uns aufgetragen, Stillschweigen darüber zu wahren. Vermutlich erzähle ich’s Ihnen, weil …« Er dachte nach. »Tja, ich weiß nicht, warum ich es Ihnen erzähle.«
»Und was sollte das Ganze da drin? Sie glauben doch selber nicht, dass es sich um einen Mord aus Hass handelt. Sie wissen, dass es mit Wallaces Tod zusammenhängt.«
»Wir wollten zuerst Ihren Teil der Geschichte hören«, sagte Travis. »So was nennt man ›ermitteln‹. Wir stellen Ihnen Fragen, Sie beantworten Sie nicht, wir kriegen den Frust. Wie ich gehört habe, ist das bei Ihnen immer so.«
»Wir wissen, was das Zeichen bedeutet«, sagte Santos, ohne Travis zu beachten. »Wir haben jemanden am Institut für fortschrittliche Theologie ausfindig gemacht, der es uns erklärt hat.«
»Es ist das henochische ›A‹«, sagte ich.
»Wie lange wissen Sie das schon?«
»Nicht lange. Als Sie es mir gezeigt haben, habe ich es noch nicht gewusst.«
»Womit haben wir es zu tun?«, fragte Travis, der sich etwas beruhigte, nachdem ihm klargeworden war, dass weder Santos noch ich auf seinen Köder anbeißen würden. »Eine Sekte? Ritualmorde?«
»Und was haben Sie damit zu tun, abgesehen davon, dass Sie beide Opfer kannten?«, fragte Santos.
»Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Genau das versuche ich rauszufinden.«
»Warum foltert man nicht einfach Sie?«, sagte Travis. »Ich meine, ich könnte das verstehen.«
Ich ging nicht darauf ein.
»Es gibt einen Mann namens Asa Durand. Er wohnt in Pearl River.«
Ich nannte ihnen die Adresse.
»Er sagt, jemand hat vor einer Weile sein Haus ausgespäht und sich erkundigt, was dort vorgefallen ist. Asa Durand wohnt in dem Haus, in dem ich gewohnt habe, bevor sich mein Vater umgebracht hat. Vielleicht lohnt es sich, einen Phantombildzeichner hinzuschicken und Durands Gedächtnis auf die Probe zu stellen.«
Santos nahm einen langen Zug an seiner Zigarette und blies etwas Rauch in meine Richtung.
»Die Dinger werden Sie noch umbringen«, sagte ich.
»An Ihrer Stelle würde ich mir lieber Sorgen um mein eigenes Leben machen«, sagte Santos. »Ich nehme an, dass Sie sich bedeckt halten wollen, aber schalten Sie Ihr verdammtes Handy wieder an. Zwingen Sie uns nicht dazu, dass wir Sie hopsnehmen und zu Ihrer eigenen Sicherheit einsperren müssen.«
»Lassen wir ihn etwa laufen?«, fragte Travis ungläubig.
»Ich glaube, er hat uns alles erzählt, womit er im Moment rüberkommen wird«, sagte Santos. »Stimmt das nicht, Mr. Parker? Und
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