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Der Pakt der Liebenden

Der Pakt der Liebenden

Titel: Der Pakt der Liebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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noch auf den Rücken gefesselt. Sie ist auf Knien zum Bett gekrochen, hat den Kopf unter die Mäntel gesteckt und wollte zu ihrer kleinen Tochter. Wir haben sie nicht aufgehalten. Wir standen bloß da und haben ihr zugesehen.
    Sie war keine schlechte Mutter. Sie hatte zwei Jobs, und ihre Tante hat sich um das Kind gekümmert, wenn sie gearbeitet hat. Vielleicht hat sie nebenbei ein bisschen gedealt, aber bei der Autopsie hat man festgestellt, dass das Kind gesund und gut versorgt war. Von dem Partyabend einmal abgesehen, hat sich nie jemand über sie beschwert. Ich will damit sagen, dass es jedem hätte passieren können. Es war eine Tragödie, das ist alles. Niemand war schuld daran.
    Aber deinen alten Herrn hat’s tief getroffen. Er ist am nächsten Tag auf Sauftour gegangen. Damals hat dein Vater einiges vertragen. Als du ihn gekannt hast, hatte er mit all dem Zeug aufgehört, abgesehen von einem gelegentlichen Abendumtrunk mit den Jungs. Aber seinerzeit hat er gerne getrunken. Wir alle haben das gemacht.
    Aber an dem Tag war es anders. Ich habe ihn nie so trinken sehen wie damals, nachdem er Melanie Huntingdon gefunden hatte. Ich glaube, das war wegen seiner eigenen Lebensumstände. Er und deine Mutter wollten unbedingt ein Kind, aber es sah nicht so aus, als würde es dazu kommen. Dann sieht er die Kleine tot unter einem Haufen Mäntel liegen, und irgendwas zerbricht in ihm. Er hat an Gott geglaubt. Er ist in die Kirche gegangen. Er hat gebetet. In dieser Nacht muss es ihm so vorgekommen sein, als ob Gott ihn aus Jux und Tollerei verspottet, indem er einen Mann, der miterlebt hat, wie seine Frau ein ums andere Mal eine Fehlgeburt hat, ein totes Kind entdecken lässt. Und schlimmer noch: Er hat womöglich eine Zeitlang aufgehört zu glauben, dass es irgendeinen Gott gibt, so als ob jemand eine Ecke der Welt weggezogen hätte und dahinter wäre schwarze Leere zum Vorschein gekommen. Ich weiß es nicht. Jedenfalls hat ihn der Fund der kleinen Huntingdon verändert, das ist alles, was ich sagen kann. Danach haben er und deine Mutter eine ziemlich schwere Zeit durchgemacht. Ich glaube, sie wollte ihn verlassen, oder er wollte sie verlassen, ich weiß es nicht mehr genau. Hätte keine Rolle gespielt, nehme ich an. Das Endergebnis wäre das Gleiche gewesen.«
    Er stellte sein Glas ab und ließ das Kerzenlicht mit dem Wein spielen, so dass die Tischplatte mit roten Tupfen übersät war, die aussahen wie Rubine.
    »Und dann hat er das Mädchen kennengelernt«, sagte er.
    Ihr Name war Caroline Carr, jedenfalls sagte sie das. Sie waren wegen eines versuchten Einbruchs in ihr Apartment gerufen worden. Es war die kleinste Wohnung, die sie je gesehen hatten, kaum groß genug für ein Einzelbett, einen Schrank, einen Tisch und einen Stuhl. Der Kochbereich bestand aus zwei Gasringen in der einen Ecke, und das Badezimmer war so winzig, dass es nicht mal eine Tür hatte, nur ein paar Perlenschnüre. Man konnte sich kaum vorstellen, warum hier jemand einbrechen wollte. Ein kurzer Blick verriet ihnen, dass das Mädchen nichts hatte, das sich zu stehlen lohnte. Wenn ja, hätte sie es verkauft, um sich eine größere Wohnung zu mieten.
    Aber die Bude passte zu ihr. Sie war klein, nur knapp über eins fünfzig, und dünn dazu. Sie hatte lange, sehr feine dunkle Haare und eine blasse, fast durchsichtige Haut. Jimmy kam es so vor, als würde sie jeden Moment den Geist aufgeben, aber als er ihr in die Augen schaute, sah er, dass sie sehr viel Kraft und Temperament hatte. Sie mochte zerbrechlich wirken, aber das galt auch für ein Spinnennetz, bis man es zu zerreißen versuchte.
    Doch sie war verängstigt, dessen war er sich sicher. Seinerzeit hatte er es auf den versuchten Einbruch geschoben. Jemand hatte eindeutig versucht, von der Feuerleiter aus das Fenster aufzu­hebeln. Sie war von dem Geräusch aufgewacht, sofort zu dem ­Telefon draußen im Flur gerannt und hatte die Polizei angerufen. Eine ihrer Nachbarinnen, eine ältere Frau namens Mrs. Roth, hatte sie schreien gehört und ihr angeboten, sie bei sich aufzunehmen, bis die Polizei kam. Wie es der Zufall wollte, waren Jimmy und Will nur einen Block entfernt, als der Funkspruch aus der Zentrale ­einging. Der Einbrecher war vermutlich noch am Fenster, als die Sirenen losgingen. Sie füllten einen 61er aus, aber viel mehr konnten sie nicht tun. Der oder die Täter waren weg, und niemandem war etwas zuleide getan worden. Will schlug vor, sie sollte mit dem Vermieter reden, damit er

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