Der Pakt der Schwerter: Historischer Roman (German Edition)
Kloster ausgestoßen würde, wenn man sie mit einem Mann erwischte, der kein Kirchenmann war. Ich wollte nicht, dass ihr das widerfuhr, auch wenn sie die Witwe des Usurpators war. Denn trotz ihres Wohlstands und ihrer Privatgemächer war sie eine gebrochene Frau, so viel war mir klar. Dieses Leben einer Nonne voller Demut und Unterwürfigkeit war alles, was sie hatte. Was gab es sonst für sie in dieser Welt?
»Kommt mit«, sagte ich zu ihr. »Hier können wir nicht bleiben.«
Ich ging zur Tür und öffnete sie gerade so weit, dass ich einen Blick nach draußen in den Kreuzgang werfen konnte. Eine Wolke hatte sich vor den Mond geschoben, was gut war, weil wir so weniger leicht gesehen werden konnten. Dann erkannte ich die Circatrix, die mit der Laterne in der Hand aus dem Dormitorium auftauchte; eiserne Schlüssel baumelten an ihrem Gürtel. Es gab noch eine Tür auf der Ostseite, die vermutlich zum Kapitelhaus gehörte, wenn meine Erinnerung an das Kloster in Dinant nicht trog. Aber danach würde sie auf jeden Fall als Nächstes die Kirche überprüfen. Wir hatten nicht viel Zeit.
Ich beobachtete sie, wie sie durch den Kreuzgang zur Tür des Kapitelhauses ging, sie aufschloss und eintrat. Wenn wir gehen sollten, war dies unsere Chance.
»Kommt«, flüsterte ich und gab Eadgyth das Zeichen, mir zu folgen. Die Tür öffnete sich reibungslos, ohne einen Laut, und ich eilte hinaus und trat die eine Stufe zum Kreuzgang hinunter, Eadgyth hinter mir. Sie trug Schuhe unter ihrer Ordenstracht, aber daran war jetzt nichts zu ändern.
»Schnell«, sagte ich und wollte zu dem Torbogen losgehen, durch den wir hereingekommen waren.
Sie ergriff meinen Ärmel. »Hier entlang«, sagte sie und schritt geradewegs über das Gras auf das Dormitorium zu. Ich zögerte, aber ich wusste, je länger wir warteten, desto wahrscheinlicher würde es, dass die Circatrix aus dem Kapitelhaus herauskäme und uns sähe.
Ich ging hinter ihr her, und der Frost auf dem Gras biss mir in die Fußsohlen. Die Tür des Dormitoriums war unverschlossen, und wir schlüpften in dem Moment hinein, als ich das Klirren von Schlüsseln nicht weit entfernt im Kreuzgang hörte. Aber es folgten keine Rufe – wir hatten es geschafft. Ich schaute mich nach Eadgyth um, aber sie ging bereits die ersten Stufen zu ihren Gemächern hoch.
»Mylady …«, begann ich leise, weil ich nicht nur an die Circatrix draußen, sondern auch an die übrigen Nonnen in dem Raum nebenan dachte.
»Nein«, unterbrach sie mich. »Ich kann nicht riskieren, länger draußen zu bleiben. Ich muss gehen.«
»Ich würde später gern noch mal mit Euch reden«, sagte ich.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich werde nicht mehr reden. Es gibt nichts mehr, was ich Euch oder Ælfwold zu sagen wünsche. Aber gebt Eurem Herrn den Brief; er wird wissen, was er bedeutet. Das ist alles, worum ich Euch bitte.«
Sie erschien irgendwie so klein und zerbrechlich, obwohl ich wusste, dass sie weder alt noch schwach war. Während ich zu ihr aufsah, empfand ich unwillkürlich Mitleid für sie.
Meine Kehle fühlte sich trocken an, und ich schluckte. »Das kann ich nicht versprechen.«
»Ich weiß«, erwiderte sie und verzog resigniert das Gesicht. »Ihr seid schließlich einer seiner Männer.«
Sie drehte sich um und stieg den Rest der Stufen hoch, ohne ein Geräusch zu machen oder sich noch einmal umzuschauen. Und dann war sie verschwunden, ihre dunkle Tracht verschmolz mit der Dunkelheit. Eadgyth, Harolds Witwe.
Neunundzwanzig
•
I ch musste warten, bis die Circatrix wieder außer Sicht war, bevor ich erneut durch den Kreuzgang gehen konnte. Insgesamt mochte eine halbe Stunde in der Zeit meiner Abwesenheit vom Gästehaus verstrichen sein, obwohl es mir sehr viel länger vorkam. Wace und Eudo erwarteten mich im Saal.
»Wo warst du?«, fragte Wace.
»Wir gehen besser irgendwohin, wo uns niemand hören kann«, sagte ich. »Dann sage ich es euch.« Ich war mir nicht sicher, ob die Wände oder Decken hier so dick waren, dass wir nicht belauscht werden konnten.
Die Mühle war in der Nähe, und deshalb gingen wir dorthin: weit genug von Gästehaus und Kreuzgang entfernt, um weder gesehen noch gehört zu werden. Die Tür war unverschlossen, und ich stieß sie auf. An einer Wand lagen Säcke aufeinandergehäuft, einige von ihnen gerissen, sodass Körner herausgerieselt waren. Die dunklen Gestalten von Ratten huschten auseinander, als wir uns näherten.
»Genug davon, Tancred«, sagte Eudo. »Erzähl uns, was
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