Der Pakt der Schwerter: Historischer Roman (German Edition)
Nasenlöchern, die ihm ein schweineähnliches Aussehen verlieh. »Warum trödeln wir hier rum?«
»Würdet Ihr lieber jetzt, nach einem Tagesmarsch, angreifen, anstatt Euch erst mal auszuruhen?«, fragte Wace, der sich sein verletztes Auge rieb.
»Wir hätten den Vorteil der Überraschung auf unserer Seite. Wenn wir jetzt angreifen, können wir in der Stadt sein, bevor sie es überhaupt mitkriegen. Je länger wir warten, desto mehr Zeit hat der Feind, um seine Abwehr zu verstärken.«
Er war noch jung, sah ich, und wie alle jungen Männer war er ungeduldig, begierig auf den Blutrausch, die Freude am Töten. »Habt Ihr je am Angriff auf eine Stadt teilgenommen?«
»Nein …«
Ich brauchte nicht mehr zu hören. »Dann habt Ihr keine Ahnung.«
Er stand plötzlich auf, die Wangen vom Zorn und vom Ale gerötet, und zeigte mit dem Finger auf mich. »Ihr wagt es, mich zu beleidigen?«
»Setz dich hin, Urse«, sagte einer seiner Kameraden.
»Nein«, brüllte Urse, als er einen Schritt nach vorn machte und dabei fast über seinen Schild stolperte, der zu seinen Füßen lag. Ich wusste nicht, wie viel er getrunken hatte, aber es war deutlich zu viel. »Wer sind diese Leute überhaupt? Sie kommen von irgendwoher zu uns und glauben dann, sie könnten uns sagen, was wir tun und denken sollen. Wir kennen sie nicht einmal, und trotzdem erwartet man von uns, dass wir an ihrer Seite in den Kampf ziehen!«
»Es ist nur die Wahrheit«, sagte ich und machte mir nicht mal die Mühe aufzustehen. Das Feuer lag zwischen uns und hinderte ihn daran, näher zu kommen, und falls er irgendwas zu unternehmen versuchte, würde er sich vermutlich eher selber wehtun als mir.
»Tancred hat recht«, sagte Wace. »Es hat keinen Sinn, überstürzt anzugreifen. Man wartet besser ab, schickt Kundschafter aus und findet die Schwächen des Feindes heraus.«
»Der König ist nicht dumm«, fügte ich hinzu. »Wenn er es für klüger hielte, jetzt anzugreifen, würden wir das tun. Aber da er nicht so denkt, warten wir. Falls Ihr anderer Meinung seid, solltet Ihr ihm das vielleicht persönlich sagen.«
Urse schaute erst mich und dann Wace an, machte ein finsteres Gesicht und setzte sich wieder hin. Vielleicht erkannte er, dass aus uns die Stimme der Vernunft sprach, was ich allerdings bezweifelte. Wahrscheinlich hatte er eingesehen, dass er alleine mit uns zwei nicht fertigwerden konnte.
»Außerdem schließen sich uns jeden Tag mehr Männer an«, sagte ich. »Morgen könnten wir weitere zweihundert Schwerter haben.«
»Das könnte auch für den Feind gelten«, schaltete sich Eudo ein.
Ich warf ihm einen bösen Blick zu. Das war nicht hilfreich. In diesem Moment sah ich jedoch Robert zusammen mit Ansculf und den anderen beiden Rittern wiederkommen, die ihn begleitet hatten. Sie machten alle ernste Gesichter, und ich begriff, was das bedeutete. Die Pläne waren festgelegt worden, und plötzlich hatte die Aussicht auf die Schlacht für sie etwas Reales bekommen. Ich kannte das Gefühl gut. Es war unwichtig, seit wie vielen Jahren man zu Felde zog oder wie viele Feinde man getötet hatte, denn die Furcht war für jeden Mann die gleiche: die Furcht, dass dieser Kampf sein letzter sein könnte.
»Wir greifen morgen vor Tagesanbruch an«, sagte Robert. »Ruht Euch jetzt aus und sammelt Eure Kräfte. Ihr werdet sie für die Schlacht brauchen. Wir marschieren, wenn der Mond am höchsten steht.«
Unter den Männern erhob sich ein Murmeln. Ich schaute nach Westen, wo über den Baumwipfeln immer noch ein Lichtschimmer zu sehen war. Mit Erleichterung stellte ich fest, dass der Mond noch nicht aufgegangen war. Dann hatten wir ein paar Stunden, in denen wir schlafen und uns bereit machen konnten. Ein kalter Schauer durchfuhr mich. Es war so weit, heute Nacht war es so weit.
»Tancred«, sagte Robert.
»Ja, Mylord?«, erwiderte ich.
»Kommt mit mir.«
Ich schaute die anderen an und fragte mich, worum es hierbei wohl gehen mochte, bevor ich aufstand und meine Schwertkoppel umschnallte. Robert wandte sich vom Feuer und den Zelten ab und ging zu den Pferden, wohin ich ihm folgte. Er hatte die Lippen zusammengepresst und schwieg. Er stieg in den Sattel seines Streitrosses, woraufhin ich es ihm nachtat, und dann ritten wir los. Das letzte Licht war verschwunden, und im Lager herrschte Ruhe, von dem Pferdegewieher in der Ferne und dem gelegentlichen Lachanfall an einem der Feuer abgesehen. Die Nachricht von dem bevorstehenden Angriff konnte diese Männer noch
Weitere Kostenlose Bücher