Der Pakt der Schwerter: Historischer Roman (German Edition)
Gesicht vor Schmerz verzerrte.
»Wo ist Lord Guillaume?«, krächzte er.
Ich hatte den Vicomte noch nicht gesehen. Tatsächlich hatte ich im Getümmel der Schlacht und allem andern fast vergessen, dass er der Grund für unser Hiersein war. Ich schaute Godefroi an, der ausdruckslos zurückstarrte, dann Wace und Eudo, die nur mit den Achseln zuckten.
»Er wird gleich kommen«, sagte ich. »Du hast ihm gute Dienste geleistet.«
Radulf nickte wieder, energischer diesmal, und nun endlich begannen die Tränen zu fließen, strömten seine Wangen hinunter, während seine Atemzüge nur noch stockend kamen. Er hob seine blutbefleckte Hand ans Gesicht, als wolle er versuchen, sein Schluchzen vor uns zu verbergen: Die Handfläche bedeckte seinen Mund, die Finger spreizten sich vor seinen Augen.
»Er wird stolz auf dich sein«, fuhr ich fort. »Auf alles, was du für ihn getan hast.«
Er biss die Zähne zusammen, und seine Hand fiel wieder hinab zu seiner Wunde und hinterließ in seinem Gesicht rote Streifen. Das Blut floss jetzt ungehindert, es war zu viel, um gestillt zu werden. Wenn der Stoß vielleicht weniger tief gewesen wäre oder wenn er seine Seite statt seiner Brust getroffen hätte … Ich wusste, es war sinnlos, so zu denken, denn nichts konnte etwas daran ändern, was bereits geschehen war. Aber ich konnte nicht anders. Mir hätte das Gleiche zustoßen können, und doch hatte ich überlebt. Warum war ich verschont worden, Radulf aber nicht?
Ich spürte, wie sich unwillkürlich Feuchtigkeit in meinen Augenwinkeln bildete, und wollte es nicht wahrhaben. Seit unserer ersten Begegnung hatte ich ihn für hitzköpfig und bestenfalls arrogant gehalten, für jemanden, der schnell beleidigt war. Doch anstatt ihn zu reizen, hätte ich mich stärker bemühen können, sein Vertrauen zu verdienen, seinen Respekt zu gewinnen. Und daher war ich zumindest teilweise für ihn verantwortlich und für das, was geschehen war.
»Du hast dich gut geschlagen«, sagte ich. »Und es tut mir leid. Alles.«
Seine Augen öffneten sich nur einen kleinen Spalt, gerade so weit, dass er mich ansehen konnte, und ich hoffte, er hatte mich gehört. Die Farbe hatte sein Gesicht fast völlig verlassen, und seine Brust bewegte sich kaum noch. Seine Atmung wurde immer schwächer, bildete keinen Nebel mehr in der Morgenluft.
»Geh mit Gott, Radulf«, sagte ich zu ihm.
Er öffnete den Mund, als wolle er sprechen, und ich beugte mich näher zu ihm und strengte mich an, ihn bei all dem Siegesgeschrei um uns herum zu hören. Aber er hatte keine Chance zu sagen, was er hatte sagen wollen, weil sein letzter Atemzug seinen Mund in einem langen Seufzer verließ. Er schloss die Augen wieder und sank langsam nach hinten gegen den Baumstamm, sein Kopf rollte auf eine Seite, und seine Wange fiel auf seine Schulter.
»Geh mit Gott«, murmelte ich wieder. Aber ich wusste, dass seine Seele schon von dieser Welt geflohen war und er mich nicht mehr hören konnte.
Philippe fand uns nicht lange danach, und wir ließen ihn zusammen mit Godefroi zurück, damit sie neben Radulf Wache standen. Ich wusste nicht, wie lange oder wie gut sie ihn gekannt hatten, aber beide schienen seinen Tod schwer zu nehmen, und ich hielt es für besser, sie für sich trauern zu lassen, während wir den Vicomte ausfindig machten. Und irgendjemand musste bei ihm bleiben, weil jetzt, wo die Schlacht vorüber war, die Zeit des Plünderns gekommen war, und die Leiche eines Ritters hatte mit seiner Rüstung, seinem Helm und seinem Schwert einiges an sich, was das Plündern lohnte.
Ich ritt mit Wace und Eudo zum Münster und ließ den König und seine versammelten Lords hinter uns. Es war immer noch nichts von Malet oder seinem Sohn zu sehen, und ich begann mir allmählich Sorgen zu machen, als wir zum Marktplatz hin abbogen und das schwarz-goldene Banner vor uns fliegen sahen. Der Vicomte war da in seinem Kettenpanzer, hatte den Helm allerdings abgenommen. Gilbert de Gand stand mit dem roten Fuchs auf seiner Fahne neben ihm, und beide wurden von etwa vierzig ihrer Ritter begleitet. Ihre Speerspitzen glänzten hell in der Sonne, und ihre Fähnchen waren schlaffe Lappen, befleckt mit dem Blut des Feindes.
Wir ließen unsere Pferde stehen und bahnten uns einen Weg durch die Menge. Ich wollte gerade seinen Namen rufen, als ich sah, wie Malet einen Mann von ungefähr der gleichen Größe umarmte: einen ganz in Schwarz gekleideten Mann mit einer vergoldeten Scheide an seiner Schwertkoppel.
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