Der Pakt der Schwerter: Historischer Roman (German Edition)
sondern eher solche, wo sich Gäste von Lord Richard aufhalten sollten, als er noch am Leben war.
»Mylord«, sagte ich. »Ich hörte, Ihr wolltet mit mir sprechen.«
Er schaute hoch. »Tancred a Dinant«, sagte er mit einem fast unmerklichen Lächeln. »Das wollte ich allerdings. Kommt und seht Euch das an.«
Er winkte mich zu sich herüber und trat zur Seite, während er auf das Pergament zeigte. Die Enden rollten sich hinter den Steinen ein, die es unten hielten, und er schob sie weiter nach außen. Das Blatt war voll mit Zeichnungen in schwarzer Tinte: Bögen und Strebepfeiler, Säulen, Gewölbe und Türme, neben denen in einer sorgfältigen Handschrift die Maße der einzelnen Teile notiert waren.
»Pläne für den Wiederaufbau der Kathedrale Sankt Peter hier in der Stadt«, erklärte Malet, während er mit dem Finger die Linien nachzog. »Unserem König liegt sehr viel daran, dass die Kirchen des Königreichs den Ruhm Gottes widerspiegeln, und er befürchtet, dass das gegenwärtige Münster das nicht tut. Ich habe die hier im letzten Herbst anfertigen lassen.«
»Sie sind eindrucksvoll«, sagte ich, denn das waren sie für jemanden wie mich, der wenig von solchen Dingen verstand. An den Maßen konnte ich sehen, dass die Kirche ein Werk von überwältigendem Ehrgeiz und Umfang sein würde: mehr als einhundert Schritte lang und fünfunddreißig von ihrem Fundament bis zur Spitze ihres Turms. Es würde das erstaunlichste Bauwerk sein, das ich je gesehen hatte. Ich konnte mir kaum im Ansatz vorstellen, wie viele Handwerker, wie viele Arbeiter gebraucht würden, um solch einen Bau zu verwirklichen – und auch nicht die Tausende Pfund in Silber, die es bestimmt kosten würde.
»Es ist meine Hoffnung, dass sie sogar der großen Kirche in Westmynstre ebenbürtig sein wird«, sagte Malet. »Denkt nur, welche Ehre ein solches Bauwerk für diese Stadt bedeuten würde – ganz zu schweigen für den Mann, der dafür verantwortlich ist, Aufsicht bei der Arbeit zu führen.« Er seufzte tief, entfernte die Steine von dem Pergament, rollte es fein säuberlich zusammen und band es mit einem Lederriemen zu. »Ich hatte gehofft, mit dem Bau vor dem Frühjahr zu beginnen, aber solange die Rebellen marschieren, wird er verschoben werden müssen.«
Er legte die Pergamentrolle auf den Schreibtisch. »Aber deshalb habe ich Euch nicht rufen lassen.«
»Nein, Mylord«, sagte ich, erleichtert, dass er jetzt zur Sache kam. Er hatte mich hierhergerufen, weil er eine Antwort von mir haben wollte, obwohl ich mir immer noch nicht sicher war, was ich sagen würde.
Er wies mich zu einem Schemel. Ich setzte mich darauf, und er zog für sich einen anderen von der Feuerstelle herüber.
»Ihr werdet Euch an unsere Begegnung vor ein paar Tagen erinnern«, sagte er und setzte sich ebenfalls. »Zweifellos erinnert Ihr Euch auch noch an den Vorschlag, den ich Euch gemacht habe.«
»Das tue ich«, erwiderte ich.
Seine Augen unter den dichten Augenbrauen musterten mich. »Wie Ihr mit Sicherheit bemerkt habt, entwickeln sich die Ereignisse sehr schnell, und aus diesem Grund möchte ich euch jetzt um eine andere Sache bitten, Tancred. Ich habe eine Aufgabe für Euch.«
»Was ist es, Mylord?«, fragte ich.
»Es ist eine Aufgabe aus zwei Teilen«, sagte Malet, »und der erste ist dieser: Es besteht die Chance – eine kleine, gewiss, aber trotzdem eine Chance –, dass sowohl die Stadt wie auch diese Burg fallen, wenn die Rebellen gegen Eoferwic marschieren. Um auf eine solche Möglichkeit vorbereitet zu sein, möchte ich, dass Ihr meine Frau Elise und meine Tochter Beatrice in die Sicherheit meines Stadthauses in Lundene geleitet.«
Beatrice. Ich dachte an den Tag neulich, als sie sich mir im Übungshof genähert hatte, erinnerte mich daran, wie sie mir immer weiter gefolgt war, an ihre unablässigen Fragen. Ich wusste nicht, was ich von ihr halten sollte: Trotz allem, was sie anziehend machte, wirkte sie auf mich eher kalt. Ich fragte mich, ob ihre Mutter, Malets Frau, ihr ähnelte.
»Und der zweite Teil?«, fragte ich. Es war eine ziemliche Entfernung von Eoferwic nach Lundene, aber bis jetzt klang es nicht nach einem schwierigen Unterfangen.
»Der zweite Teil besteht darin, mir bei der Überbringung einer Nachricht behilflich zu sein.«
»Eine Nachricht?«, fragte ich verdutzt. Ich hatte Lord Robert fast zwölf Jahre gedient; unter seinem Kommando hatte ich in mehr Schlachten gekämpft, als ich je hatte zählen wollen. Ich war ein Mann
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