Der Pakt der Schwerter: Historischer Roman (German Edition)
Nacht?«, fragte ich.
»Wir fahren durch bis zur Morgendämmerung, wenn wir können. Mit etwas Glück haben wir dann den Humbre erreicht, solange es etwas Mondlicht gibt und wir noch genug sehen können. Der Fluss ist hier breit und tief genug – nicht so viele Schlammbänke, auf die man achten muss. Außerdem war ich in den letzten zwei Jahren oft auf diesem Fluss unterwegs. Ich kenne seine Kurven so gut wie die meiner Frau.« Er grinste mich an, und ich sah, dass ihm mehrere Vorderzähne fehlten. Ich versuchte sein Lächeln zu erwidern, obwohl mir in Wahrheit nicht besonders fröhlich zumute war.
»Rudert!«, bellte Aubert seine Männer an, weil sie während unserer Unterhaltung ihre Schlagzahl verringert hatten. Er nahm seine Trommelschlegel wieder in die Hand und begann das Tempo zu schlagen, das er haben wollte. »Hört auf zu trödeln, ihr verfluchten Teufelssöhne! Rudert!«
Ich merkte auf, als Ælfwold sich auf Bündel Schafpelze neben mir setzte.
»Wie geht es den Damen?«, fragte ich ihn und sah zum Bug, wo Elise und ihre Tochter standen und aufs Wasser schauten.
»So gut wie zu erwarten war«, sagte der Kaplan mit etwas gedämpftem Tonfall. »Unsere Gebete galten natürlich alle der Sicherheit des Vicomtes.«
Er holte einen kleinen Laib Brot aus seinem Umhang und brach ihn entzwei, wobei Stücke von der Rinde abbrachen und auf die Decksplanken fielen, und bot mir die eine Hälfte an. Ich nahm sie dankend entgegen und biss hinein, die grobe Struktur zwischen meinen Zähnen spürend. Ein Stückchen Stein kratzte innen an meiner Wange, und ich benutzte die Zunge, um es in meinem Mund nach vorn zu schieben, bevor ich es mit den Fingern herausnahm und über Bord schnippte.
»Wie lange steht Ihr in seinem Dienst?«, fragte ich ihn.
»Seit vielen Jahren«, sagte Ælfwold mit gerunzelter Stirn. »Dreizehn, vielleicht vierzehn oder sogar noch mehr – ich habe seit Langem den Überblick verloren. Mindestens seitdem er zum ersten Mal aus der Normandie hierhergekommen ist.«
»Ihr meint, er war vor der Invasion in England?« Natürlich erinnerte ich mich daran, wie Wace mir von Malets englischer Mutter erzählt hatte, aber ich wusste auch, dass er in Hæstinges gekämpft hatte, und war davon ausgegangen, dass er zur gleichen Zeit wie der Rest von uns herübergekommen war.
Ælfwold schluckte seinen Bissen hinunter und nickte.
Eine Frage hatte mir den ganzen Tag schon auf der Zunge gelegen; es gab keinen besseren Zeitpunkt, als sie jetzt zu stellen. Ich senkte die Stimme. »Was hat Eadgar damit gemeint, als er sagte, dass Malet ein Freund von Harold Godwineson gewesen sei?«
Der Kaplan wurde blass und ließ den Blick auf das Deck sinken.
»Dann ist es wahr?«, fragte ich mit gerunzelter Stirn. »Er kannte den Usurpator?«
Malet hatte sich sorgfältig bemüht, diesen Umstand nicht bekannt werden zu lassen. Aber andererseits gab es in diesen Tagen wenige Männer, die gerne zugegeben hätten, mit dem Mann Umgang gepflegt zu haben, der die Krone gestohlen hatte. Dass der König ihn trotzdem sehr schätzte, zeichnete ihn sicherlich aus.
»Ja, er kannte ihn«, sagte Ælfwold in ernsterem Tonfall. »Auch als ich in seine Dienste trat, waren sie meiner Ansicht nach gut miteinander bekannt. Sie haben oft zusammen gejagt; ich erinnere mich daran, dass er Harold in einem Sommer sogar auf einer Pilgerfahrt nach Rom begleitete …«
Er brach ab und ein besorgter Ausdruck trat auf sein Gesicht. »Ihr solltet jedoch wissen, dass all das vor drei Jahren ein Ende nahm. Viele Jahre ist er immer wieder zwischen Graville und seinen englischen Besitzungen hin- und hergereist. Aber als König Eadward starb und Harold die Krone beanspruchte, kehrte er in die Normandie zurück und schloss sich der Invasion an.«
Dass aus zwei Männern, die so enge Freunde gewesen waren, so rasch Feinde wurden, war merkwürdig. »Was hat dazu geführt, dass Malet sich gegen Harold wandte?«, fragte ich.
»Ich gestehe, dass es viele Gelegenheiten gab, bei denen ich nicht in der Lage war zu verstehen, was im Kopf meines Herrn vor sich ging«, sagte der Kaplan. »Diese war leider eine von ihnen. Mit Sicherheit war er dagegen, dass Harold sich der Krone bemächtigte, was er sowohl als unrechtmäßig wie auch als heimtückisch empfand. All das geschah, müsst Ihr wissen, nachdem Harold Herzog Guillaume den Lehnseid geschworen hatte. Aber schon vorher hatte ihre Freundschaft sich abgenutzt. Ich erinnere mich, dass sie sich in jener Zeit oft
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