Der Pakt der Wächter: Roman
die Pergamente gerne näher anschauen.«
»Du hast das Schimmer-Institut informiert?«
Ich hatte entfernt mit diesem Institut zu tun, während der mehr als unangenehmen Ereignisse, die mit dem Fund des Shrine of Sacred Secrets auf einem Acker beim Kloster Værne in Østfold zusammenhingen. Das Schimmer-Institut, das in einer Steinwüste im Nahen Osten lag, war eins der führenden theologischen Forschungszentren der Welt.
»Ich kann es dir nicht erklären. Noch nicht. Sie schicken ein paar Experten.«
»Umso mehr müssen wir uns beeilen. Du darfst ihnen den Codex auf keinen Fall überlassen!«
»Sie wollen ihn sich nur ansehen.«
» Sagen sie. Sie werden dir ein Vermögen bieten.«
Er wollte etwas sagen, schüttelte dann aber den Kopf.
»Ich habe eine Neuigkeit, die dich aufmuntern wird.«
Ich hielt das Blatt mit der Übersetzung der Verse hoch, die Terje im Laufe der Nacht für uns entschlüsselt hatte, und las sie laut vor. Dann erzählte ich ihm von dem Verweis auf die Saga vom heiligen Kreuz .
»Hol mich der Teufel«, platzte Sira Magnus hervor. Er stürzte den letzten Schluck Kaffee herunter und spuckte ein paar Kaffeekrümel aus. »Los geht’s. Es gibt viel zu tun!«
Terjes Übersetzung des Codextextes hatte Sira Magnus so aufgemuntert, dass ich vom Pfarramt bis zur Snorrastofa hinter ihm herlaufen musste. Er schloss einen Seiteneingang auf, und wir gingen durch die Kirche in das Museum im Kellergeschoss.
In einer Glasvitrine an der Wand lag der Originaltext der Saga vom heiligen Kreuz . Sira Magnus öffnete die Vitrine und nahm die Handschrift heraus. »Snorri hat diese Saga geschrieben, unmittelbar nachdem er sich gegen König Håkon aufgelehnt hatte und vor den norwegischen Birkebeinern nach Island geflohen war«, sagt er.
»Der Text ist umstritten.«
»Alles, was Snorri geschrieben hat, ist umstritten. Die Ereignisse, über die er schrieb, lagen Jahrhunderte zurück. Aber vielleicht haben wir seine Geschichten nur falsch gelesen. Was, wenn Snorri etwas erzählen wollte – ohne etwas zu erzählen?«
Sira Magnus trug das Buch zu einem länglichen Tisch, wo wir uns gemeinsam über die Handschrift beugten. Er zeigte auf drei Symbole – Anch, Ty und das Kreuz. »Die gleichen Symbole wie im Codex. Und siehst du diese Anmerkungen am Rand? Die kurzen Ergänzungen außerhalb des Fließtextes? Die gleiche Handschrift wie im Snorri-Codex! Brotschrift, Initialen und Illumination wurden zweifelsohne von Schreibern angefertigt. Aber stammen die Randbemerkungen möglicherweise von Snorri selbst? In der Regel fallen sie weg, sobald ein Manuskript kopiert wird. Die Kopisten betrachteten Randbemerkungen als Kritzeleien.«
6
Sira Magnus und ich verbrachten den ganzen Tag damit, in dem Original der Saga vom heiligen Kreuz zu blättern. Wir gingen methodisch vor – Buchstabe für Buchstabe, Zeichen für Zeichen. Wenn Akademiker mit etwas ausgerüstet sind, dann mit Geduld. In regelmäßigen Abständen rief ich Terje in Oslo an, um seinen Rat einzuholen. Zwischendurch stieß Sira Magnus Rufe der Begeisterung über eine hübsch geformte Initiale oder einen gelungenen Stabreim aus.
»Sieh mal!«, rief er. »Diese Anmerkung verweist auf Thordur kakali.«
»Wen?«
»Snorris Neffen. Er einte die isländischen Goden und wurde mit der Zeit so mächtig, dass König Håkon sich gezwungen sah, ihn nach Norwegen zu holen, wo er sich zu Tode trank.«
In einer anderen Randnotiz fanden wir einen Hinweis auf die heilige Höhle . Der Rest des Satzes wurde mit solcher Vehemenz weggekratzt, dass das Leder an dieser Stelle fast durchsichtig war.
Die heilige Höhle?
7
Es ging auf 21 Uhr, als wir endlich den Code knackten.
Wie gewöhnlich hatte Terje recht. Die Zahlen Zehn und Sieben waren der Schlüssel zu dem Code. Wenn man mit den Initialen begann und danach jeden zehnten Buchstaben aus dem Fließtext nahm und diese Buchstaben dann nach der Caesar-Methode im lateinischen Alphabet sieben Zeichen weiter nach hinten verschob, erhielt man am Ende folgende Botschaft:
Die Zahl des Tieres
weist den Weg
entlang der Felswand
von Lögberg
nach Skjaldbreiđur
Die Stimme aus dem Grab
1
»Sie waren es, der Sira Magnus tot aufgefunden hat?«
Der Polizeichef von Borgarnes sieht aus, als hätte er in seiner Kindheit nichts anderes zu essen bekommen als saure Fischklößchen und Lebertran, der das Verfallsdatum längst überschritten hatte. Alles an ihm – Augen, Haare, Haut und Stimme – wirkte grau und
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