Der Pakt der Wächter: Roman
Dokumente beiseitegeschafft und an den Scheich verkauft. Nichts davon war von sonderlich hohem historischem oder wirtschaftlichem Wert. Wie sonst soll sich ein Pastor wohl einen BMW mit Allradantrieb leisten können?«
...
»Ich glaube nicht, dass er irgendetwas zu seinem persönlichen Vorteil verkauft hat«, fährt Stuart fort. »Auch wenn er sich das schöne Auto geleistet hat. An erster Stelle stand für ihn, finanzielle Mittel für die Kirche zu beschaffen, für die Forschung, die Gemeinde und den Freundeskreis des Snorri-Instituts. Und vielleicht, weil es spannender war, als die historischen Artefakte dem Handschrifteninstitut zu überlassen.«
Ich schweige weiter.
»Ich habe Sira Magnus Ende der Neunzigerjahre kennengelernt«, sagt Stuart. »Wir haben beide an einem Kongress in Barcelona teilgenommen. Ich glaube, es ging damals um die Ausbreitung und Bedeutung der karolingischen Minuskel in Mittelaltermanuskripten. Ich mochte ihn...«
»Ihr habt ihn ermordet!«
»Einige Monate später meldete er sich bei mir. Er habe einige Pergamente, die mich eventuell interessieren könnten. Er muss gewusst haben, dass ich eine Verbindung zum Scheich hatte. Das war der Beginn unserer Zusammenarbeit.« Er senkt den Blick. »Das, was dieses Mal passiert ist und was alles zum Scheitern brachte, ist die Tatsache, dass er sein Vergehen bereute. Ihm war klar geworden, dass er eine Grenze überschritt, wenn er ein Kleinod wie den Snorri-Codex verkaufte. Er wollte einen Rückzieher machen. Das war der Zeitpunkt, als er dich anrief. Er brauchte Unterstützung. War verzweifelt. Als du in Reykholt eintrafst, hatte er sich bereits aus dem Deal zurückgezogen und das Ganze abgeblasen.«
»Und er hatte Angst vor euch.«
»Sira Magnus wusste genau, dass wir bereits auf dem Weg nach Island waren. Und was wir wollten. Er behauptete, den Codex nicht mehr zu haben. Dass du gerade damit auf dem Weg ins Handschrifteninstitut seist.«
»Und deshalb habt ihr ihn umgebracht?«
»Er ist an einem Herzinfarkt gestorben. Lies den Obduktionsbericht!«
»Ihr habt seinen Kopf unter Wasser gedrückt, verdammt noch mal!«
»Hassan ist etwas gewalttätig geworden. Das liegt in seiner Natur. Er hatte die Vollmacht, Sira Magnus eine große Summe anzubieten. Aber der Pfarrer hat abgelehnt. Hassan musste – ihn überzeugen. Und Hassan nimmt seine Aufgaben ernst. Aber niemand hat ihn umgebracht. Hassan hat ihn gezwungen, das Versteck des Codexes zu verraten, das schon, aber er hat ihn nicht umgebracht. Nicht direkt jedenfalls. Sira Magnus ist ihm unter den Händen weggestorben.«
Ich lasse die läppische Schönrednerei zwischen uns zerbröseln. Stuart ist nicht wohl in seiner Haut. Ich lasse ihn leiden. Schließlich frage ich: »Woher wusstet ihr, dass Thrainn und ich in Thingvellir waren?«
»Hassan hatte dich gut unter Kontrolle, solange du in der Snorrastofa gewohnt hast. Aber nachdem du in das Hotel in Reykjavik umgezogen warst, verlor er dich eine Weile aus den Augen. Also machten sie sich auf die Suche. Wir wussten, dass du Kontakt zu Professor Thrainn Sigurdsson aufgenommen hattest. Also riefen wir im Institut an und gaben uns als Kollegen von dir aus. Eine Sekretärin hat uns gesagt, wo ihr zu finden wart.«
»Und in Norwegen? Ihr habt die ganze Zeit gewusst, wo ich war.«
»Das ist nicht so schwierig. Nicht, wenn man genügend Leute hat. Etliche der Männer vom Scheich haben eine Vergangenheit im Geheimdienst. Sie haben keine Mittel gescheut, dich aufzuspüren. Infrarot-Überwachungskamera.GPS-Verfolgung.Mobilfunkortung. Das Problem war, dass du ständig deine Handys liegen gelassen hast. Und unvorhersehbare Dinge tatest. Dich zu verfolgen, ist nicht ganz einfach, Bjørn.«
»Wie habt ihr mich in Lom gefunden? Da hatte ich kein Handy dabei.«
»Aber dein Kollege Øyvind.«
»Und wieso habt ihr mich in Nesodden nicht gefunden?«
»Wir wussten, dass du in Nesodden warst. Aber wir konnten das Haus nicht lokalisieren, in dem du dich befunden hast. So gut ist die Ausrüstung dann auch wieder nicht.«
»Dann habe ich euch dort also tatsächlich gesehen...«
»Wir sind dem GPS-Sender an deinem Auto gefolgt...«
»Die Sender habe ich gefunden!«
»Uns war klar, dass du suchen würdest. Darum hatten wir vier Sender montiert. Ein Paar, das du finden solltest. Und ein Paar, das du nicht finden würdest. So haben wir dich in Ringebu aufgespürt.«
»Wo ihr den Pfarrer umgebracht und die Stabkirche in Brand gesetzt habt.«
Er seufzt.
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