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Der Pakt der Wächter: Roman

Der Pakt der Wächter: Roman

Titel: Der Pakt der Wächter: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Egeland
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Verzerrung der Wahrheit. Oder der Versuch, etwas zurückzuhalten. Ich antworte, dass ich von keiner Verbindung zwischen Sira Magnus und jemandem aus den Emiraten wisse.
    Aber tief in meinem Inneren beginne ich zu frieren, Angst keimt auf. Untreue Diener des Schimmer-Instituts? Sammler? Reiche Exzentriker, die alles tun würden, um sich ein historisches Kleinod zu sichern? Ich sage dem Polizeichef nichts davon. Er würde es nicht verstehen. Ich verstehe es ja selbst kaum.
     
    Nachdem der Polizeichef wieder gefahren ist, rufe ich einen Bekannten im Schimmer-Institut an. Ich erkläre, was geschehen ist, und frage, wen sie geschickt haben. Er behauptet, sie hätten niemanden geschickt.
    »Um einen so einzigartigen Fund zu untersuchen, hätten wir Professor Osman geschickt, Professor Rohl, Professor Dunhill, Professor Silbermann, Professor Finkelstein, Professor Phillips und ganz sicher Professor Friedmann«, sagt er. »Aber erst hätten wir natürlich Sira Magnus zu überzeugen versucht, den Codex hierher zu uns ins Institut zu bringen.«

5
     
    Gegen Mittag fahre ich zurück nach Reykjavik. Der Weg führt an verlassenen Höfen, leeren Schafspferchen und neu errichteten Dampfturbinenanlagen vorbei. Die vulkanischen Berge sehen aus, als warteten sie nur darauf zu explodieren. An manchen Stellen macht die Straße eigenartige Kurven und Biegungen. Das liegt an dem großen Respekt der isländischen Bauarbeiter vor den unsichtbaren Elfen, dem huldufolk , das in den Felsbrocken in der Wildnis lebt. Wenn ein isländischer Ingenieur seine schnurgeraden Straßen direkt durch einen Felsen projektiert hat, in dem ohne jeden Zweifel eine Elfenfamilie lebt, umgehen die Straßenbauarbeiter die totale Katastrophe, indem sie die gerade geplante Straße in einem Bogen umleiten.
    Ständig erblicke ich im Rückspiegel verdächtige Fahrzeuge. Schwarze Blazer. Aber das kann jeder x-beliebige Isländer sein. Wenn mir nicht irgendwelche verrückten Elfen einen Streich spielen.
    Der schwarze Blazer überholt mich in rasender Fahrt und entpuppt sich als dunkelblauer VW Touareg.
     
    Jeder hat seine Dämonen.
    Meine haben keine Namen. Aber ich kenne sie, wie du die deinen kennst. Sie schlummern in einem, irgendwo zwischen Därmen, Leber, Nieren und all dem Mist, der einen am Leben hält, bis sie plötzlich eines Tages ihre hässliche Fratze zeigen.
    Ich hatte nie Alkoholprobleme, dafür habe ich aber Antidepressiva geschluckt wie andere Leute Fruchtbonbons. Glückspillen nennt man die auch, dabei machen sie einen gar nicht glücklich, sie schleifen der Angst nur die Spitzen ab. Damit keine Missverständnisse entstehen: Ich bin nicht verrückt, aber meine Nerven führen manchmal ein Eigenleben. Im Grunde sind die Angstphänomene, unter denen ich dann leide, nichts anderes als Diabetes oder Gicht. Trotzdem schauen einen die Leute anders an und treten einen Schritt zurück. Ach ja? Die Nerven? Und dann lächeln sie mitfühlend und beunruhigt. Als hätte ich eine Axt im Mantelärmel versteckt und den Kopf voller boshafter, schreiender Stimmen.
    Ich bin ein paarmal eingewiesen worden. Zu meinem eigenen Besten. Ich selbst nenne es nicht Psychiatrie. Das klingt so kalt. Ich rede auch nicht vom Irrenhaus oder Sanatorium. Für mich ist das eine Nervenklinik. Mein eigenes kleines Kuckucksnest.
    Dort reifen wir beaufsichtigt und kontrolliert unter unseren Käseglocken aus eingeschlossener Angst.
    Denn auch das bin ich.
    Ich kann ein absonderlicher Kauz sein, das weiß ich. Kenne meine Probleme, mich anzupassen. Vermutlich bin ich deshalb nicht Professor geworden. Autoritäten und Regeln provozieren mich. Andere Menschen provozieren mich. Das Dasein provoziert mich.
    Ich bin im Umgang vermutlich nicht ganz einfach.
    Ich habe einen Halbbruder, den ich nur selten sehe, und einen Stiefvater, dem ich tunlichst aus dem Weg gehe. Er ist mein Vorgesetzter im Osloer Institut.
    Mama ist im vergangenen Jahr gestorben. Lymphdrüsenkrebs.
     
    Meine Verfolger sind verschwunden.
    Nach einigen Kilometern und einer Mautstation wird die Straße breiter. Der Straßenbelag ist neu. Die Autobahn ins Zentrum von Reykjavik hat keinen einzigen Elfenbogen. Die armen Unsichtbaren, denen hier von brutalen Bulldozern und selbstgerechten Ingenieuren, für die nur gerade Linien zählen, die steinernen Häuser zertrümmert wurden, irren jetzt obdachlos und voller Rachsucht in der Pampa herum und machen Unsinn.
    Ich winke ihnen aus dem offenen Fenster zu. Ich habe schon immer Sympathie

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