Der Pakt der Wächter: Roman
starrköpfig genug, findet man Lösungen, an die sonst niemand denkt. Ich habe es dadurch in akademischen Kreisen zu einem gewissen Namen gebracht und werde auf Kongressen und Seminaren von ausländischen Forschern gegrüßt. Bjørn Beltø. Der norwegische Archäologe. Der Albino, der sogar den großen Michael McMullin in die Knie gezwungen hat. Aber all das ist Teil einer anderen Geschichte.
»Wir kennen dich, Bjorn «, sagt Diane. »Du gibst nicht auf. Bist entschlossen, furchtlos, verbissen.«
Und – wie sie ausnehmend gut weiß – leicht hinters Licht zu führen, naiv und gutgläubig.
»An Geld soll es nicht scheitern«, sagt Professor Llyleworth. »Das SIS stellt Ihnen ein unbegrenztes Budget zur Verfügung. Wir überweisen Ihnen, was Sie brauchen, und zusätzlich erhalten Sie natürlich auch ein großzügiges Honorar.«
»Ich weiß ja nicht einmal, wo ich anfangen soll.«
»Beginn mit Stuart Dunhill«, sagt Diane. »Fahr ins Schimmer-Institut und rede mit ihm. Und von dort fahr weiter nach Ägypten. Was immer du für richtig hältst.«
»Aber... was wollt ihr, was soll ich tun?«
»Finden Sie heraus, was damals in Ägypten geschehen ist«, sagt Professor Llyleworth.
»Und das schneller als Scheich Ibrahim«, sagt Diane.
Der gefallene Forscher
NAHER OSTEN
1
Stuart Dunhill hat die gelblich blasse Haut und den wässrigen, ausweichenden Blick, der jenen Männern zu eigen ist, die sich im Schutz ihrer vier Wände durch den Tag trinken und auf die Dunkelheit warten.
Er hockt in der hintersten Ecke der Bibliothek im Schimmer-Institut, als hätte er dort den Punkt seines Universums gefunden, der am weitesten von seinen Plagegeistern und Widrigkeiten entfernt ist. Auf seinem Schoß liegt eine nicht aufgeschlagene Ausgabe der Times .
Er war sicher einmal ein distinguierter, attraktiver Mann. Seine nach hinten gekämmten Haare sind silbergrau, die Züge seines Gesichts klar und harmonisch. Er blickt rasch zu mir auf. Er kommt mir irgendwie bekannt vor, als hätten wir uns einmal auf einem Fest gemeinsam betrunken, um uns anschließend gleich wieder zu vergessen.
Ich setze mich auf den leeren Stuhl neben ihn, sage kein Wort. Er atmet schwer. Meine bloße Anwesenheit beunruhigt ihn.
»Ich weiß, wer Sie sind«, sagt er. Er lallt etwas.
Ich bin viel zu überrascht, um antworten zu können.
»Und ich weiß, warum Sie gekommen sind.«
Ohne ein Wort reiche ich ihm die Hand. Sie ist tatsächlich noch blasser als seine. Stuarts Händedruck ist überraschend fest.
»Tut mir leid, dass ich etwas angetrunken bin – Bjørn Beltø.« Er spricht meinen Namen beinahe perfekt aus. »Bjørn Beltø persönlich. Der Archäologe, der den Shrine of Sacred Secrets gefunden hat.«
»Das SIS hat den Schrein gefunden. Meine Aufgabe war es, darauf aufzupassen.«
»Und das haben Sie.«
»Ich habe meinen Job gemacht.«
»Und jetzt der Snorri-Codex. Die Thingvellirrollen. Eine Grabkammer unter dem Lysekloster. Gehen Sie das Risiko ein, mit mir zusammen an die Bar zu gehen?«
»Gerne.«
2
Das Schimmer-Institut liegt in der Talsohle einer ungastlichen Steinwüste, umringt von Oliven- und Feigenhainen. Der Weg von der Zivilisation hierher ist ein schnurgerader, vor Hitze flimmernder Asphaltstreifen, der sich von Horizont zu Horizont erstreckt. Die Berghänge rund um das Institut sind mit Oleander, Bambus und Sandelholz bedeckt. Vor siebenhundert Jahren bauten Mönche hier in dieser Oase der Stille ein Kloster. Zu Beginn der Siebzigerjahre wurde dieses der glühenden Sonne ausgesetzte Kloster mit Aluminium, Glas und Spiegeln um mehrere tausend Quadratmeter erweitert. Bibliotheken, Archive, Hörsäle und Laboratorien. Ein Hotelflügel. In dieser monströsen Mischung aus neu und alt haben Theologen und Philosophen, Linguisten und Paläographen, Ethnologen, Historiker und Archäologen ihre neue, gemeinsame Wirkungsstätte gefunden. Führende Experten der jeweiligen Fachgebiete sind hier versammelt. In den Archiven des Instituts lagern Pergamente, Papyrusrollen und Dokumente, die teilweise aus vorchristlicher Zeit stammen. Einige Arbeitsgruppen restaurieren, andere übersetzen, und wieder andere beschäftigen sich mit den Deutungen der Texte.
Nicht zu vergessen diejenigen, die an der Bar sitzen und trinken.
»Wissen Sie, was einen hervorragenden Archäologen von einem mittelmäßigen unterscheidet?«, fragt Stuart Dunhill und betrachtet mich verzerrt durch ein Glas Gin Tonic. »Die Fähigkeit, dort logische
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