Der Pakt der Wächter: Roman
Testament ist ursprünglich eine hebräische Sammlung von religiösen und historischen Texten und Gesetzen, die vor zweieinhalbtausend Jahren zu einem Kanon zusammengefasst wurden. Die älteste heute noch erhaltene Version des Alten Testaments wird Septuagintaen genannt. Es handelt sich dabei um eine zweitausend Jahre alte griechisch-alexandrinische Bibelübersetzung, die von griechischsprechenden jüdischen Gelehrten zusammengestellt wurde.«
»Gibt es das Original?«
»Die ursprüngliche Septuagintaen befindet sich im Vatikan. Aber viele der ursprünglichen Texte des Alten Testaments sind verloren gegangen. Und mit den originären Dokumenten haben wir auch die Möglichkeit verloren zu überprüfen, zu bestätigen oder zu entkräften, was tatsächlich dort geschrieben steht. Beziehungsweise die wichtigen biblischen Geschehnisse zu datieren.«
Er öffnet eine andere Schachtel und nimmt die Kopie und eine Übersetzung eines koptischen Pergaments heraus.
»Diesen Brief haben wir gefunden, als wir Zugang zu ein paar verstaubten Sammlungen des Vatikans bekommen haben. Eigentlich waren wir auf der Suche nach einer Abschrift der Septuagintaen , die noch aus der Zeit von Papst Innozenz III. existieren soll. Das Schimmer-Institut hatte den Auftrag von der päpstlichen Kardinalkommission erhalten. Stattdessen haben wir diesen Brief gefunden. Er wurde im Jahre 1013 von Rouen aus an den Fatimidenkalifen von Ägypten geschickt. Die Fatimiden waren eine muslimische Dynastie, die vom 10. Jahrhundert bis ins Jahr 1171 in Nordafrika herrschte. Der Brief hat sein Ziel aber nie erreicht. Der päpstliche Geheimdienst hat ihn irgendwie in die Finger bekommen. Hier« – er reicht mir einen Zettel aus der Schachtel – »eine englische Übersetzung.«
An Eure Hoheit, Kalif Al-Hakim bi-Amr Allah,
Herrscher von Gottes Gnaden, alleiniger Kalif über Ägypten
Mit größtem Respekt sende ich, der Hohepriester Asim, Großwesir des Amon-Ra-Kultes, diese Worte aus der Gefangenschaft im Exil. Im Glauben an Allah und aus Loyalität zu meiner Lebensaufgabe bin ich bei DEM HEILIGEN und bewache Ihn und Seine Schätze nach bestem Vermögen. Ich weiß nicht, wohin mich diese Reise führen wird. Ich schreibe diese Worte im Scriptorium eines gewissen Herzogs Richard II. in der Stadt Rouen im Herzogtum Normandie in Frankreich. Wir sammeln Kräfte, ehe die Reise in die Barbarei jenseits der Zivilisation weitergeht. Ich hoffe, diese Worte erreichen Eure Hoheit, Kalif Al-Hakim bi-Amr Allah, damit jemand DEM HEILIGEN zu Hilfe kommen kann.
Euer ergebener
Asim,
Großwesir des Amon-Ra-Kultes
»Asim«, murmele ich. Das ist der Name aus der Inschrift, den ich in der Stabkirche von Garmo gefunden habe.
»Der Empfänger, Kalif Al-Hakim bi-Amr Allah, war damals der Herrscher von Ägypten. Ein ganz besonderer Kalif«, sagt Stuart. »Aus reiner Furcht hat Asim bloß auf Allah verwiesen und nicht auf all die anderen Götter, an die er geglaubt hat. Der Kalif wird mit gewisser Berechtigung als verrückt angesehen. So hat er unter anderem den Ägyptern verboten, Trauben zu essen oder Schach zu spielen. Und er hatte sich zum Ziel gesetzt, möglichst viele Kirchen in der Welt zu zerstören. Es war kein Geringerer als Kalif Al-Hakim bi-Amr Allah, der die Heilige Grabeskirche in Jerusalem zerstören ließ. 1013 war ein kritisches Jahr für ihn. Nicht nur weil das Land von Wikingern heimgesucht wurde, sondern insbesondere weil diese Demütigung genau zu der Zeit der schlimmsten Christenverfolgung geschah.«
»Worum geht es in Asims Brief?«
»Asim befand sich in der Gefangenschaft der Wikinger. Aber das kann ich natürlich nicht öffentlich sagen.«
Er reicht mir eine andere Übersetzung:
... weiter ans Ende der Welt, in die eisige Kälte des Reiches der Toten. Wir reisten vom Reich der Sonne, von den fruchtbaren Ufern des Nils, an die karge Steinküste des Schneelandes. Verlassen von Amon-Ras Güte und Osiris’ warmem Odem, unterwarfen wir uns den Göttern der Barbaren. O Götter meiner Väter, schenkt mir Kraft.
Als ich Kind war und meine Albträume mir die Pforten des Totenreiches zeigten, war es immer eine Landschaft wie diese – kalt, karg und wild -, die ich jenseits des Nebels des Todes zu sehen glaubte. Viele Tage segelten wir ...
»Wir nehmen an, dass es sich um die Kopie eines Manuskriptfragments handelt, das ebenfalls Asim zuzuschreiben ist. Diese Kopie wurde ausgerechnet unter einem Stapel hinterlassener Briefe und Handschriften der
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